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A u g u s t e C o m t e , d e r erste und gewaltigste Begründer der

historisdien Betrachtungsweise auch gezogen hat

1

.

Das Wichtigste aber ist, daß Kniesens Argument von der „Ein-

heitlichkeit des Individuums“ und seiner Unzerlegbarkeit in ein-

zelne Seelenkräfte (z. B. „Eigeninteresse“) f a l s c h ist. Selbst wenn

diese unverbrüchliche Einheitlichkeit als empirische ganz unange-

tastet bleibt, so muß man sagen, daß es einfach u n r i c h t i g ist,

daß das „Eigeninteresse“ oder wie man sonst die Grundlage des

Wirtschaftlichen bezeichnen möge, an sich selbst „unwahr“ und

„unwirklich“ sei. Denn darauf kommt es nicht an, ob diese Kraft

jemals e m p i r i s c h ganz rein zur Geltung komme oder nicht —

ebensowenig wie es darauf ankommt, ob der Bewegungsdrang je-

mals im luftleeren Raum faktisch sich bestätigen kann. Worauf es

ankommt ist, daß er als eine selbständige Kraft w i r k t , wie immer

diese empirisch gehemmt werde. Im Individuum nun sind diese

selbständigen Kräfte durch die p r i n z i p i e l l e n Z i e l s e t -

z u n g e n , die in der Lebensbestätigung beschlossen liegen, ge-

geben. Das Ziel der Güterversorgung z. B. ist ein solches prinzipiel-

les Ziel und w i r k t (wenn schon dieser Ausdruck gebraucht werden

soll) in einer prinzipiell ganz bestimmten und selbständigen Weise.

Da es empirisch selten ganz rein zur Geltung kommt, so ist die Kon-

struktion seiner reinen Wirkungsweise eben die Aufgabe abstrakter

Isolierung, das heißt es ist ein System von Handlungen zu konstru-

ieren, das r e i n l o g i s c h unter der Bedingung des wirtschaft-

lichen Zieles steht. Dieses l o g i s c h e Moment verleiht der Kon-

struktion a b s o l u t e E x a k t h e i t (wenigstens der Möglichkeit

nach), denn es ist eindeutig. Nur in diesem reinen System der Wirt-

schaft können seine eigensten, reinen Gesetzmäßigkeiten theoretisch

erkannt werden. Während es für diese theoretische Betrachtung an

sich gleichgültig ist, ob die untersuchten wirtschaftlichen Kräfte und

Systeme gedachter Handlungen empirisch je absolut rein zur Gel-

tung kommen oder nicht.

Gerade dieser letztere Umstand, der damit identisch ist, daß das

Individuum nicht nur ein einziges Lebensziel, sondern viele prinzi-

pielle Ziele zu verfolgen hat, macht eben die prinzipielle Verhältnis-

1

Dieses Argument auch bei H e i n r i c h D i e t z e l : Artikel Selbstinteresse,

in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd 6, 2. Aufl., Jena 1900, S. 692.