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Bestimmung Wirtschaft—Gesellschaft beziehungsweise a l l e r Ob-

jektivationssysteme zueinander) notwendig! — Übrigens hat Max

Weber speziell K n i e s e n s Begriff der ungeteilten und einheit-

lichen Persönlichkeit als „emanatistisch“ und „metaphysisch“ nach-

gewiesen

1

.

Daß Knies zu einer Auseinanderlegung des Gesellschaftlichen in

Objektivationssysteme nicht geschritten ist, ist übrigens nach dem

Obigen nicht einmal für sich betrachtet eine notwendige konse-

quente Folge seines Dogmas von der Einheitlichkeit des Individuums.

R o s c h e r s Argumentation gegen die von den Klassikern vor-

genommene Abstraktion der reinen Wirtschaft, die auf dem Eigen-

nutze beruht, ist wieder eine ganz andere. Wir haben es oben ge-

sehen, in welcher prinzipiellen Weise er die Verhältnisbestimmung

von Wirtschaft und Gesellschaft, die der Auffassung der Klassiker

zugrunde lag, durch eine neue ersetzen wollte. Es ist einerseits eine

Erweiterung oder versuchte Berichtigung des Begriffes der Wirt-

schaft dadurch, daß er diese auf Eigennutz und Gemeinsinn grün-

den wollte, andererseits ein selbständiger Versuch der Zerlegung des

Gesellschaftlichen in eine Reihe von (sieben selbständigen) Objekti-

vationssystemen. Während dieser letztere Versuch aber (— auf das

S y s t e m v o n s o z i a l e n W i s s e n s c h a f t e n , das darin-

nen beschlossen liegt, weisen wir hiermit nur nebenbei hin —) wei-

1

Die strengste Argumentation gegen diesen Begriff des Individuums (bezie-

hungsweise seine Verwendung) wäre nach meiner Auffassung von der Natur so-

zialer Erscheinungen die, daß ein p s y c h o l o g i s c h e r Begriff des Indivi-

duums unmittelbar als solcher für die sozialwissenschaftliche Betrachtung ü b e r -

h a u p t n i c h t i n F r a g e k o m m t ; und zwar deswegen, weil das Soziale

nicht ein p s y c h o l o g i s c h Begründetes ist, sondern ein durch Verknüpfung

von Handlungen begründetes funktionelles System darstellt. Das Soziale ist nicht

im Psychologischen, sondern im (kausalen) Zusammenhang von M i t t e l n f ü r

Z i e l e oder, wie ich es nennen möchte, im F u n k t i o n a l e n begründet. Die

Zerlegung des Individuums in „Triebe“ oder dergleichen ist daher eigentlich me-

thodisch falsch; es kann sich nur um eine Zerlegung des Handelns in p r i n z i -

p i e l l e Z i e l e , d a s h e i ß t i n p r i n z i p i e l l e S y s t e m e v o n H a n d -

l u n g e n — das sind die „Objektivationssysteme“ — handeln. — Ich unterlasse

aber hier die Geltendmachung dieser Argumentation, da ich an dieser Stelle eine

ausführliche Begründung ja doch nicht geben kann. Vgl. die Ausführungen unten

im Schlußkapitel und meine Schrift: Zur Logik der sozialwissenschaftlichen Be-

griffsbildung, in: Festgabe für Friedrich Julius Neumann, Tübingen 1905.