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in der neu-marxischen Schule. Wir wollen uns im folgenden ledig-
lich an die sachlichen Grundgedanken halten, von der materialisti-
schen Philosophie absehen, die diesen Gedanken wieder zugrunde
liegt und hoffen, dadurch den Schwierigkeiten, die hier liegen, zu
entgehen. Als diese Grundgedanken sind zu betrachten: Die Um-
weltlehre, die Lehre von der führenden Stellung der Wirtschaft in
der gesellschaftlichen Umwelt, die Lehre vom Klassenkampfe und
die dialektische Methode.
A. U m w e l t l e h r e u n d U m w e l t
Marxens Geschichtsphilosophie beruht durchaus auf dem Gedan-
ken, daß der Mensch von seiner Umwelt schlechthin abhängig, daß
er eine Funktion seiner Umwelt sei. „Es ist nicht das Bewußtsein
der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt, ihr gesellschaftliches
Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt“, sagt Marx im Vorwort seiner
1859 veröffentlichten Schrift, „Zur Kritik der politischen Ökono-
mie“. Welche ist nun diese gesellschaftliche Umwelt? In ihr ist /
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die Wirtschaft das Bestimmende, Erstwesentliche. Sie ist der
Kern der Gesellschaft, der „Unterbau“, auf dem sich alle ihre gei-
stigen Inhalte, als da sind Recht, Religion, Philosophie, Wissenschaft,
Kunst als „Überbau“ erheben. Alle diese geistigen Inhalte sind nur
die Reflexe des Wirtschaftlichen, sind nur die „Ideologie“, die sich
vom Wirtschaftlichen ableitet.
Friedrich Engels, der getreue Eckhart Marxens, hat diesen Gedanken so formu-
liert: „Daß die Produktion und nächst der Produktion der Austausch ihrer Pro-
dukte die Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist; daß . . . die Verteilung der
Produkte und mit ihr die soziale Gliederung in Klassen oder Stände sich darnach
richtet, was und wie produziert, und wie das Produzierte ausgetauscht wird. Dem-
nach sind die letzten Ursachen aller gesellschaftlichen Veränderungen und politi-
schen Umwälzungen zu suchen nicht in den Köpfen der Menschen, in ihrer zu-
nehmenden Einsicht in die ewige Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern in den
Veränderungen der Produktions- und Austauschweise; sie sind zu suchen nicht in
der P h i l o s o p h i e , sondern in der Ö k o n o m i e der betreffenden Epoche.“
(2) Die Wirtschaft selbst ist zu denken als ein Mechanismus, des-
sen Entwicklung von unabänderlichen N a t u r g e s e t z e n ein-
deutig bestimmt wird. Das entscheidende Bewegungs- und Entwick-
lungsgesetz ist das Gesetz der Konzentration des Kapitals, welches
Vernichtung der Kleinbetriebe, Verelendung der Masse, Entstehen
der industriellen Reservearmee und schließlich Vergesellschaftung
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