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unverbrauchlich ist. Ein Stück Brot muß bezahlt (ersetzt) werden,
soll die Wirtschaft weitergehen, der Erfindergedanke muß nicht un-
bedingt bezahlt werden, weil er nicht verbrauchlich ist und die
Wirtschaft jedenfalls weitergehen kann. Wer heute mit einem
Dampfer über das Meer fährt, zahlt nichts für den Erfindergedan-
ken der Schiffschraube. Das bedeutet zuletzt eine U m k e h r u n g
d e r M e h r w e r t l e h r e
1
.
Diese Überlegungen lassen bereits erkennen, daß es eine Fehl-
vorstellung ist, grundsätzlich die „Rente“ als Aneignung unbe-
zahlter Arbeitskraft zu betrachten, wie dies Marx, fußend auf Ri-
cardo, tut. Um das Wesen der R e n t e oder des V o r z u g s -
e i n k o m m e n s zu verstehen, muß man davon ausgehen:
(1) daß nur Ganzheiten Erträge haben; und (2) daß die Wirtschafter
je nach ihrer verschiedenen Gliedstellung an diesen Erträgen ver-
schieden teilnehmen. Der Gesamtertrag der Weltwirtschaft fließt
den Volkswirtschaften zu; aber die Volkswirtschaften nehmen in
verschiedener Weise daran teil. Der Gesamtertrag der Volkswirt-
schaften fließt den Geschäftszweigen, innerhalb dieser den Betrie-
ben, innerhalb dieser schließlich den Betriebsgliedern zu, und zwar
in verschiedener Weise, besonders je nach führender und geführter
Leistung. Die Volkswirtschaft Englands hat einen größeren Anteil
an der Weltwirtschaft als jene Österreichs, daran haben — wieder je
nach der Gliedstellung verschieden — die Geschäftszweige, Betriebe
und schließlich die Betriebsglieder Anteil. Daher ist der Lohn des
englischen Arbeiters höher als jener des österreichischen. Jeder eng-
lische Arbeiter hat daher schon kraft der führenden Stellung der
englischen Volkswirtschaft eine „Rente“. „Rente“ im a l l g e -
m e i n s t e n S i n n e i s t d a h e r n i c h t s a n d e r e s a l s e i n
V o r z u g s e i n k o m m e n a u s e i n e r V o r z u g s l e i s t u n g ,
e i n e r f ü h r e n d e n L e i s t u n g .
Fällt aber der Rentenbegriff im Sinne grundsätzlicher Aneignung
unbezahlter Arbeit, dann ist das sittliche Pathos der Mehrwertlehre
zerstört. (Ende des Zusatzes.)
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Marx hatte den bösen Blick, er sah wohl die Nachtseiten, nicht
aber die Tagseiten des Kapitalismus, er sah die ungleiche Verteilung
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Näheres darüber in meinem Buche: Tote und lebendige Wissenschaft, 4. Aufl.,
Jena 1935, S. 289 ff.; jetzt: 5. Aufl., Graz 1967, S. 262 ff. (= Othmar Spann Ge-
samtausgabe, Bd 6).