[116]
161
und hielt sie für bloßen Raub, er sah nicht das Schöpferische, ge-
waltig Aufbauende, das zuletzt doch hinter dieser Ungleichheit
steckt. Marx hat ja durch die Einräumung eines „gesellschaftlich
notwendigen“ Mehrwertes seinen Fehler zu mildern gesucht, aber
für die politische Ausnutzung des „Mehrwertes“ war dies belang-
los, auch erfolgte keine theoretische Richtigstellung. Marx hat auch
die Größe des Mehrwertes (so sehr dies moderne Sozialisten be-
streiten wollen) maßlos hoch, wohl auf etwa 100 v. H. des not-
wendigen Arbeitslohnes eingeschätzt
1
! — Dadurch wurde es sozia-
listische Volksmeinung, daß durch Aufteilung des „Mehrwertrau-
bes" eine ungeheure Hebung der Lage des Arbeiterstandes zu errei-
chen sei, während in Wahrheit die Massenlöhne im allgemeinen die
(freilich in bedeutendem Maße erhöhbare) Durchschnittsportion
darstellen, die aus dem Gesamterzeugnis auf jeden entfällt! So wird
kein Kenner bestreiten, daß Marxens Stellungnahme in diesem
Hauptproblem ganz an der Oberfläche geblieben ist.
Das Arbeiterelend der nachnapoleonischen Zeit, von dem Marxens Schilderung
im I. Band des „Kapitals“ ausging, war nicht durchaus eine Folge kapitalistischer
Wirtschaftsweise, sondern zum Teil auch eine Kriegsfolge, zum Teil eine Folge der
übermäßig raschen Ausdehnung der Kapitalbildung, das heißt der Ausdehnung der
Erzeugungsgrundlage zuungunsten der Verbrauchsvorräte, die der aufsteigenden
Volkswirtschaft entzogen wurden. Dieser Drang zu übermäßiger Kapitalbildung
ist jeder Zeit nach Kriegen und großer Kapitalvernichtung eigen, aber auch jeder
Zeit raschen wirtschaftlichen Aufschwunges. Von s o l c h e n Z u s a m m e n -
h ä n g e n w u ß t e a b e r M a r x n i c h t s , w e i l i h m d i e g r ü n d l i c h e n
f a c h l i c h e n K e n n t n i s s e , d i e t i e f e r e n E i n b l i c k e i n d i e Z u -
s a m m e n h ä n g e f e h l t e n .
B. K o n z e n t r a t i o n s l e h r e
Das bedeutsamste Lehrstück Marxens, das aber durchaus keine ur-
sprüngliche Leistung seinerseits ist, liegt in dem Gesetze der K o n -
z e n t r a t i o n d e s K a p i t a l s u n d d e r B e t r i e b e vor.
Während man über die Wert- und Mehrwertlehre Marxens zumeist
geringschätzig geurteilt hat, ist der Wahrheitsgehalt dieses Gesetzes
zwar auch nie voll zugegeben, aber doch durchwegs ungeheuer über-
schätzt worden. Man war und ist heute noch der Meinung, die Kon-
1
Vgl. z. B. die Berechnung in: Das Kapital, Bd 1, S. 156, die allerdings nicht
verbindlich, aber bezeichnend ist.
Il Spann, 5