233
spruchsvollen noch erheblich viel Metaphysik. Dies wird sich auch
noch weiter erweisen.
Ehe wir dem weiteren Gedankengange S i m m e l s folgen, wol-
len wir auf jene bisher nicht näher geprüfte A u s g a n g s t h e s e ,
daß es für zusammengesetzte Gebilde als solche keine Gesetze gebe,
sowie auf das Verhältnis derselben mit dem zuletzt besprochenen
Ergebnisse eingehen.
Wir sahen, daß diese Ausgangsthese ein rein uitilitarisches Krite-
rium der Eignung von Komplexen für die wissenschaftliche Erfor-
schung forderte. Das von S i m m e l angewendete widersprach
dem, denn es war ein rein erkenntnistheoretisch-metaphysisches.
Auch unmittelbar, materiell liegt zwischen dem Gedanken, daß die
Regelmäßigkeiten der Konglomerate zuhöchst die Zusammenfas-
sung von Einzelbewegungen ausdrücken, und dem andern Gedan-
ken, daß das Ganze, sofern es Teil eines höheren Ganzen sei, e i n -
h e i t l i c h wirke, also n i c h t als eine Summe von Einzelbewe-
gungen wirke, sondern als einheitliches, selbständiges Ganzes (be-
ziehungsweise dem andern, allgemeineren Gedanken, daß die Wech-
selwirkung einen „relativ objektiven“ V e r e i n h e i t l i c h u n g s -
g r u n d abgebe) — auch materiell liegt zwischen diesen Gedanken
der krasseste Widerspruch klar zutage. Dies erweist sich auch daran,
daß die Kritik der Ausgangsthese ganz a l l e i n mit Hilfe des an-
deren S i m m e l schen Gedankens von der einheitlichen Wirksam-
keit komplexer Teile durchgeführt werden kann, wie sich sogleich
zeigen wird. Was noch im besonderen das Kriterium der Wechsel-
wirkung anbelangt, so ist, sofern diese ja einen wirklichen V e r -
e i n h e i t l i c h u n g s grund abgeben soll, ihr widerspruchsvolles
Verhältnis mit jener individualistischen Behauptung (der einzig
realen Gesetzmäßigkeit der letzten Teile) ebenfalls offenbar. Daß
dann wieder diese „Vereinheitlichung“ selbst (die bereits in ihrer
Eigenschaft als bloß „relative“ oder graduelle in sich widerspruchs-
voll wird), sich auf die verschiedenen Grade von „Innigkeit“ stützen
muß und somit unvollziehbar wird, weil sie sich wegen des prinzi-
piellen Charakters der Einheit auf ein N e u e s , das einen Verein-
heitlichungsgrund
im
Gesamtzustande
grundsätzlich
abgeben
könnte, stützen müßte, daß sie durch ihren graduellen Charakter
überhaupt in sich selbst verneint wird — dies ist ein Widerspruch