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für sich, der den in dem Verhältnisse zu der besagten individuali-

stischen Behauptung liegenden nicht tangiert.

Bei der Grundthese S i m m e l s handelt es sich offenbar um den

Begriff eines Gesamtzustandes, das heißt um die kausale Zurechnung

innerhalb desselben. S i m m e l selbst spricht sich darüber, wie

oben bereits angedeutet, folgendermaßen näher aus

1

. „Ein Gesetz

gibt uns die Richtung und das Quantum einer Kraft an, die bei

einer gegebenen Kombination zweier Weltelemente frei wird und

deren sichtbare Wirkung von den ... Kräften abhängig ist, mit

denen sie sich an der gleichen Substanz begegnet.“ Das Entschei-

dende sei, daß aus solchen resultierenden sichtbaren Wirkungen

der Anteil der beschriebenen Kraft unverkürzt herauserkannt wer-

den kann. Sehen wir einen Gesamtzustand A in einen Gesamtzu-

stand B übergehen, so stehen wir der kausalen Bestimmtheit dieses

Vorganges so lange unbelehrt gegenüber, bis wir nicht die Teilur-

sachen ermittelt haben. Besteht A aus a, b, c und B aus α, β, γ

,

so

können wir a für die Folge α verantwortlich machen, indem wir

beobachten, daß a auch in anderen Kombinationen, wo b, c nicht

vorhanden sind, die Folge d ergibt. Zum Beispiel indem wir „eine

Folge B

1

auf A

1

beobachten, wobei A

1

aus a, d, e, B

1

aus α, δ, ε be-

steht. Wird dieser Erkenntnisweg nun weiter verfolgt, indem auch

a und α in Teilvorgänge zerlegt werden, ... so muß er schließlich

an den Elementen alles Geschehens münden ...“

2

Die letzten realen

Bewegungen der kleinsten Teilchen sind das allein Wirksame, das

allein Reale. Erst durch ihr Zusammenwirken entstehen die kom-

plexen Tatsachen an der Oberfläche der Erscheinungen. — So wird

also für S i m m e l der Begriff des Gesamtzustandes zum bloß

praktisch-methodologisch zulässigen Hilfsbegriff.

Eine v o l l s t ä n d i g e Kritik dieser Auffassung zu geben, ohne

ihr eine andere selbständig gegenüberzustellen, ist kaum möglich.

Da wir uns aber in unserer Kritik eine selbständige Stellungnahme

grundsätzlich versagen müssen, müssen wir es bei andeutenden Hin-

weisen bewenden lassen und den Schwerpunkt auf jene Kritik legen,

1

Georg Simmel: Die Probleme der Geschichtsphilosophie, Leipzig 1892,

S. 34 f.

2

Georg Simmel: Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Leipzig 1892, S. 35.