Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2375 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2375 / 9133 Next Page
Page Background

[153/154]

213

wir an die soziologische Grundbestimmung des Anfanges, an die

Lehre von der Gemeinschaft, anknüpfen. Wir haben uns früher ge-

nau klar gemacht, worin das Wesen der Gemeinschaft bestehe: Es ist

die geistige Gegenseitigkeit, das darin gelegene Überindividuelle,

was unserem Leben die G e s e l l s c h a f t l i c h k e i t als wesen-

hafte Grundform einprägt

1

.

Da ergibt sich nun die weitere Frage: Zwischen wem ist Gemein-

schaft oder Gezweiung möglich? Die Antwort lautet: Zwischen

Gleichgearteten; und zwar nicht zwischen vollkommen Gleichen,

sondern zwischen sich in irgendeinem Sinne ergänzenden, die also

noch Gegensätzlichkeit zwischen sich haben. G e m e i n s c h a f t

b i l d e t s i c h d u r c h V e r s c h i e d e n h e i t a u f d e m

G r u n d e d e r G l e i c h h e i t . Heißt doch Freundschaft vor al-

lem: Einander etwas geben, etwas sein, was nicht möglich wäre, wenn

jeder ohnehin vollkommen das besäße, was der andere hat. Dem-

gemäß sehen wir ja auch, wie gerade die wesentlichsten Gemein-

schaftsverhältnisse auf gegenseitige Ergänzung angelegt sind: Mutter

und Kind, Lehrer und Schüler, Künstler und Genießender, Priester

und Laie, Forscher und Schule. Immer wird man finden, daß die Ge-

meinschaft in einem wesentlichen Sinne ergänzend für die Teilneh-

mer ist, ergänzend auf Grund engerer oder weiterer Gleichheit. Die

Einsicht, daß jeweilige Gleichartigkeit die Vorbedingung für die Bil-

dung geistiger Gemeinschaft sei, ist eine Grundwahrheit der Gesell-

schaftslehre, eine Grundeinsicht, ohne die ein tieferes Urteil über ge-

sellschaftliche Dinge nicht möglich ist. Wir können die genannte Er-

scheinung das G e s e t z d e r i n n e r e n G l e i c h a r t i g k e i t

d e r G e m e i n s c h a f t e n nennen.

Hieraus folgt eine weitere Grundeinsicht. Wenn Gemeinschaft nur

auf Grund geistiger Gleichartigkeit möglich ist, so sind lebendige Ge-

meinschaften stets klein. Denn es können immer nur verhältnis-

mäßig wenige Menschen sein, die einander soweit gleichen, daß sie

eine für die Gemeinschaftsbildung fruchtbare Verschiedenheit mit-

bringen. Wir können diese Erscheinung das G e s e t z d e r

K l e i n h e i t d e r G e m e i n s c h a f t e n nennen. Es folgt un-

mittelbar aus der Grundtatsache der Gleichgeartetheit der Gemein-

schafter.

1

Siehe oben S. 40 ff.