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Besteht ein Gesetz der Kleinheit der Gemeinschaften, so muß zu-

nächst jede Gesellschaft im Hinblick auf ihren Aufbau aus geistigen

Gemeinschaften ein Bild maßloser Zerklüftung bieten! Und in der

Tat, sehen wir uns in unserer Erfahrung um, so finden wir die selt-

samste Trennung und Zersplitterung der Gemeinschaften und damit

auch der Menschen, die ihnen angehören. In der einen Stube eines

Gasthofes tagen vielleicht die Freidenker, in der anderen die katholi-

schen Gesellen vereine; in der einen die Impfgegner, in der anderen

die Ärzte, die Impfzwang fordern; hier die Konservativen, dort die

radikalen Liberalen und Demokraten; hier die Pazifisten, dort im-

perialistische Nationalisten; hier die Neu-Malthusianer, die den Ge-

schlechtsverkehr als rein hygienische Frage und Privatsache auffassen,

dort der religiöse Sittlichkeitsverein; hier die Spiritisten, dort die

Materialisten; hier die Vegetarianer, dort der fleischliebende Athle-

tenklub; hier die Schmetterlingssammler mit ihrer Freude am Klei-

nen, dort die Staatsmänner mit ihren in die Ferne schauenden

Blicken; hier die offene Volksversammlung, dort die Freimaurerloge

auf ihren geheimbündlerischen Pfaden; hier der Stammtisch des

Sparvereins, dort die alles vergeudende Spielergesellschaft; hier die

Künstler, dort die Banausen — alle diese Kreise sind sich gegenseitig

nicht etwa feindlich, nein mehr, sie sind einander fremd! Was aber

noch viel mehr / wundernimmt, diese Unbekanntheit scheint zu

wachsen, je näher sich die betreffenden Gruppen stehen. Daß Künst-

ler und Philister einander nicht verstehen, nimmt nicht wunder,

was soll man aber dazu sagen, daß der Klub der Kubisten und der

Futuristen, der Impressionisten und Expressionisten, der Motten-

sammler und der Tagfaltersammler, daß die Gruppe der Richard-

Strauß-Verehrer und der Schönberg-Verehrer einander schon gar

nicht mehr verstehen, einander innerlich kaum kennen, ja verachten!

A l l e d i e s e k l e i n e n G e m e i n s c h a f t e n e r s c h e i n e n

e i n a n d e r f r e m d , w i e v o m M o n d e h e r u n t e r g e -

k o m m e n .

Der Bestand der Gesellschaft wäre gefährdet, wenn die vielen,

einander fremden Gemeinschaften schlechthin in ihrer Zerklüftung

beharrten. Das ergäbe wieder ein atomistisches Urgemenge, dessen

Bestandteile zwar nicht Einzelne, sondern kleine Gezweiungskreise

wären, jedoch nicht minder unfähig, ein Gesamtganzes zu bilden.