230
[166]
Kräfte nicht unmittelbar möglich, sondern nur mittelbar, nur durch
„Rapport“ der mittleren Rangstufen, die zwischen hoch und niedrig
liegen, dann kommt das Geistige des Lebens im ständischen Gemein-
wesen allein zu seinem Rechte. Die s t ä n d i s c h e L e b e n s -
o r d n u n g i s t d e r v o l l k o m m e n s t e p o l i t i s c h e A u s -
d r u c k d e r u n i v e r s a l i s t i s c h e n G e s e l l s c h a f t s -
a u f f a s s u n g .
Es liegt in der Natur des ständischen Staates als eines rangstufigen,
daß er am folgerichtigsten zuletzt eine einheitliche Spitze hat und
für ihn wie für das Weltall der Homerische und von Aristoteles
schon der Metaphysik eingefügte Grundsatz gilt: εϊζ κυριος έοτω,
Einer sei der Herr.
Ziehen wir aus allem vorherigen die Summe, so ergibt sich als Er-
fordernis der Herrschaft des Besten: (1) eine Stufenleiter der Herr-
schaften; (2) Mittelbarkeit als Baugesetz des Staates; denn die „Herr-
schaft des Besten“ kann nicht bestehen bei atomistisch gleichgemach-
ten Einzelnen. Wie G l e i c h h e i t u n d U n m i t t e l b a r -
k e i t n o t w e n d i g Z e n t r a l i s a t i o n b e d e u t e t ,
s o
A b g e s t u f t h e i t u n d M i t t e l b a r k e i t
D e z e n t r a l i -
s a t i o n . Statt des Grundsatzes „Ein Volk, Eine Regierung“, gilt:
v i e l e T e i l s t ä n d e u n d V o l k s k r e i s e , v i e l e T e i l -
r e g i e r u n g e n u n d S t a n d e s g e w a l t e n
1
. Endlich ergibt
sich: (3) Die Herrschaft geht grundsätzlich in der Richtung von oben
hinunter, nicht wie das individualistische Naturrecht will, von unten
hinauf. Es gilt nicht die „Souveränität des Volkes“, sondern die
Gültigkeit des höchsten Wertes, des Sachgehaltes, das heißt die Sach-
souveränität
2
.
Nur die ständische Organisation ermöglicht formell eine Herrschaft des
Besten; die individualistische demokratische Organisationsform des Staates er-
möglicht eine solche nicht! Diese setzt alle Bürger (die Stimmberechtigten oder
Wähler) als gleichwertig voraus, wählt daraus Einen Herrschaftsausschuß, Einen
Mittelpunkt der Regierung, und alle Bürger des Staates befinden sich grundsätz-
lich gleich weit und gleich nahe von diesem Mittelpunkte entfernt. Jeder emp-
fängt unmittelbar vom Mittelpunkt, weiterzugeben braucht es keiner; jeder gibt
unmittelbar diesem Mittelpunkt. Hier fehlt die Rangstufenleiter. Der oberste
Ausschuß, die Zentralgewalt, befiehlt selbst den Gliedern, wenn nötig, vertreten
durch unmittelbare Organe: Das ist in Wahrheit gänzlich g e g e n d i e N a t u r
1
Weiteres hierüber siehe unter § 30.
2
Siehe unten S. 256 f.