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diese Art und Aufgabe in seinen „Elementen der Staatskunst“ (1809) folgender-
maßen gekennzeichnet: Der landwirtschaftliche, grundbesitzende Stand enthält
vorzugsweise ein dauerndes, konservatives, gleichsam weiblich-bewahrendes We-
sen; der gewerbliche, städtische Stand dagegen vorzugsweise ein bewegliches,
erzeugendes, gleichsam männliches Wesen; der Handels- und Finanzstand ist ge-
kennzeichnet durch Überwiegen des freien, physischen Kapitals und enthält da-
mit ein Element des Vorwärtsstrebens, gleichsam die Jugend, wodurch dieser
Stand zum wahren Verkehrsstande wird, der die Gegensätze des konservativen
Grundbesitzer- und des erzeugenden Städtestandes überbrückt, vereinigt. Adam
Müller fügt dann als „Alter“ noch 4. den geistigen Stand („geistiges Kapital“)
oder Lehrstand hinzu, der das (hemmende) geistige Kapital verwaltet und damit
den letzten Ausgleich herbeiführt — eine Erweiterung, die man nicht ohne wei-
teres gut heißen kann, da hier nicht mehr das Mittel Einteilungsgrund ist. Der
geistige Stand ist unseres Erachtens nach dem Geistigkeitsgehalt selbst festzustel-
len, wobei wir oben 5 Geistigkeitsgrade — vom niederen Handarbeiter bis zum
Weisen — fanden
1
.
So wichtig die Einteilung nach der Eigenart der Mittel an sich ist, so unvoll-
ständig ist sie, und die planmäßige Bezugnahme auf den geistigen Gehalt, auf die
Gemeinschaftsgrundlage jedes Standes bleibt als das Wesentliche aufrecht. (Hier
steht Adam Müller hinter Platon grundsätzlich zurück.) Innerhalb der durch die
Landwirtschaft, Gewerbe, Handel und Finanz gegebenen und gültigen Unter-
schiede bleibt doch als tiefster Grundunterschied bestehen der Geistesgrad, den
wir fanden: in der Natur der Handarbeit (bei der / wegen ihrer Ungeistigkeit
am meisten die Eigenschaft des Mittels wichtig wird); der höheren Handarbeit
und niederen (darstellenden) geistigen Arbeit; weiterhin in der organisatorisch-
schöpferischen Arbeit des Wirtschaftsführers (die allerdings erst in der freien,
gewerblichen Verkehrswirtschaft ganz hervortritt, aber auch in der Landwirt-
schaft nicht unbedeutend ist). Erst daran schließt sich der politische Stand und
der höchste geistige „Stand“, der wohl kein eigentlicher, kein handelnder Stand
ist, aber das wahre Licht und Leben aller Menschen und alles geistigen Daseins.
Die Einteilung der wirtschaftlichen Stände nach der Eigenart des
Mittels soll nicht vernachlässigt werden, aber sie soll nur als
U n t e r t e i l u n g jener ständischen Gruppen gültig bleiben, die
sich aus der rein geistigen Gliederung der Menschen ergeben. Als
solche Unterteilung (ganz besonders bei den niederen und höheren
Handarbeitern) ist sie dann allerdings von der größten Bedeutung.
Auch beim p o l i t i s c h e n S t a n d ist eine Einteilung nach der Eigenart
des Mittels möglich. Man kann unterscheiden: (1) den staatsmännischen oder po-
litischen Stand im engeren Sinne; (2) den Kriegerstand und (3) den Priesterstand.
Bei allen dreien ist aber das Mittel verschieden, jedoch genau entsprechend auch
die innere Verschiedenheit des geistig-sittlichen Stoffes, der organisatorisch zu-
sammengefaßt werden soll. D a h e r f ä l l t h i e r d i e E i n t e i l u n g n a c h
d e r A r t d e s M i t t e l s m i t d e r n a c h d e r A r t d e r g e i s t i g e n
G r u n d l a g e z u s a m m e n . —
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Siehe oben S. 242 f.