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damit der geistigen Haltung des Arbeiters trotz eines gewissen Ma-
ßes von Bildung (oft mehr fachlicher als geistiger Art) angenähert.
Das heißt, er ist in Dingen der wahren Bildung überaus subaltern.
Dies ist zwar erklärlich, weil die schöpferisch-organisatorische Be-
gabung, obzwar an sich etwas durchaus Geistiges, doch ganz an den
wirtschaftlichen Dingen klebt; aber es ist verhängnisvoll. Während
die Aristokraten früherer Zeitalter die Achtung vor den geistigen
Mächten zu ihrer Überlieferung zählten und in ihren gesellschaft-
lichen Kodex aufnahmen, fehlt ein solcher Zug bei unserem Groß-
unternehmertum derart, daß es Aufsehen erregt und angestaunt
wird, wenn einmal Mäzenatentum auftritt. Hier sehe ich einen der
größten Mängel der geistigen Verfassung unserer Zeit. Die
W i r t s c h a f t s f ü h r e r d e r s t ä n d i s c h e n Z e i t w ä r e n
k e i n e b l o ß e n W i r t s c h a f t s - , s o n d e r n L e b e n s -
f ü h r e r . Der Ritter des Mittelalters bewirtschaftete nicht bloß
den Fronhof und was damit zusammenhing, er war auch Vorsteher
jener Zwangsgenossenschaft, die man später „hörige Bauernschaft“
nannte; er war ferner auch Richter, Haupt der Verwaltung und
führte das Schwert, wenn es in Krieg und Fehde ging. Mit densel-
ben Leuten, mit denen er lebte, mußte er auch in den Krieg ziehen.
Gleiches gilt für die Führer von Zunft und Stadt, die Wirtschafts-
führer, politische Führer und zum Teil Kriegsführer zugleich waren.
Was das bedeutete, kann unsere papierne und verwirtschaftlichte
(oder bestenfalls verbeamtete) Zeit gar nicht mehr ermessen. Damals
mußten alle Führer die P r o b e a u f d a s L e b e n immer aufs
Neue bestehen, sie mußten lebendige Menschen werden und bleiben,
der kalte Rechengeist des heutigen Wirtschafters, der Mietlingsgeist
des Beamten, die Opportunität des heutigen Staatsmannes, Politi-
kers, Professors konnte kaum aufkommen, überall war das runde
Leben da, das seine Proben verlangte! Kraft und Ehre waren
keine idealisierten, lebensfremden Begriffe, sondern mußten ge-
l e b t werden, von allen, die bestehen wollten. Und auch die
Treue war kein leerer Wahn, war keine Loyalitätsheuchelei hohler
Schwächlinge, sondern entsprang dem Gemüt der steten Gesinnung
und der geistigen Verwurzelung mit jenem Ganzen, das in dem
Herrn, dem man anhing, seine Spitze und seinen König hatte.
Wären unsere Unternehmer auch L e b e n s f ü h r e r , ja wä-
ren sie nur von dem Willen beseelt, einen Teil ihres Reichtums für