Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2413 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2413 / 9133 Next Page
Page Background

[181]

251

damit der geistigen Haltung des Arbeiters trotz eines gewissen Ma-

ßes von Bildung (oft mehr fachlicher als geistiger Art) angenähert.

Das heißt, er ist in Dingen der wahren Bildung überaus subaltern.

Dies ist zwar erklärlich, weil die schöpferisch-organisatorische Be-

gabung, obzwar an sich etwas durchaus Geistiges, doch ganz an den

wirtschaftlichen Dingen klebt; aber es ist verhängnisvoll. Während

die Aristokraten früherer Zeitalter die Achtung vor den geistigen

Mächten zu ihrer Überlieferung zählten und in ihren gesellschaft-

lichen Kodex aufnahmen, fehlt ein solcher Zug bei unserem Groß-

unternehmertum derart, daß es Aufsehen erregt und angestaunt

wird, wenn einmal Mäzenatentum auftritt. Hier sehe ich einen der

größten Mängel der geistigen Verfassung unserer Zeit. Die

W i r t s c h a f t s f ü h r e r d e r s t ä n d i s c h e n Z e i t w ä r e n

k e i n e b l o ß e n W i r t s c h a f t s - , s o n d e r n L e b e n s -

f ü h r e r . Der Ritter des Mittelalters bewirtschaftete nicht bloß

den Fronhof und was damit zusammenhing, er war auch Vorsteher

jener Zwangsgenossenschaft, die man später „hörige Bauernschaft“

nannte; er war ferner auch Richter, Haupt der Verwaltung und

führte das Schwert, wenn es in Krieg und Fehde ging. Mit densel-

ben Leuten, mit denen er lebte, mußte er auch in den Krieg ziehen.

Gleiches gilt für die Führer von Zunft und Stadt, die Wirtschafts-

führer, politische Führer und zum Teil Kriegsführer zugleich waren.

Was das bedeutete, kann unsere papierne und verwirtschaftlichte

(oder bestenfalls verbeamtete) Zeit gar nicht mehr ermessen. Damals

mußten alle Führer die P r o b e a u f d a s L e b e n immer aufs

Neue bestehen, sie mußten lebendige Menschen werden und bleiben,

der kalte Rechengeist des heutigen Wirtschafters, der Mietlingsgeist

des Beamten, die Opportunität des heutigen Staatsmannes, Politi-

kers, Professors konnte kaum aufkommen, überall war das runde

Leben da, das seine Proben verlangte! Kraft und Ehre waren

keine idealisierten, lebensfremden Begriffe, sondern mußten ge-

l e b t werden, von allen, die bestehen wollten. Und auch die

Treue war kein leerer Wahn, war keine Loyalitätsheuchelei hohler

Schwächlinge, sondern entsprang dem Gemüt der steten Gesinnung

und der geistigen Verwurzelung mit jenem Ganzen, das in dem

Herrn, dem man anhing, seine Spitze und seinen König hatte.

Wären unsere Unternehmer auch L e b e n s f ü h r e r , ja wä-

ren sie nur von dem Willen beseelt, einen Teil ihres Reichtums für