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lebendige Leib durch und durch organisch, also auch im Kleinsten

organisiert ist, überall aus Zellen besteht. Während der demokra-

tische Staat aus einem Haufen gleichförmiger Atome bestehen will

und eigentlich amorph ist, ist der ständische Staat durch und durch

Gliederung, das große Ganze besteht aus lauter kleinen Ganzen,

nicht aus einer gleichförmigen Masse unmittelbarer Elemente, un-

mittelbarer „Staatsbürger“. Die kleinen Ganzen sind überdies nicht

unvermittelt dem Zentrum der Gesamtganzheit angeschlossen, son-

dern vermittelt, durch Zugehörigkeit zu Oberverbänden der zünf-

tigen Stände, zu bestimmten Standschaften, Standesgruppen

1

.

III.

Die Eingliederung des Einzelnen in seinen Stand bedeutet

Aufgehobenheit statt Wettbewerb

Indem jeder Einzelne in einem Ganzen, dem Stande, eingeglie-

dert sich findet, ist er auch in dem Getriebe der Wirtschaft und des

Lebens aufgehoben, behütet, von der Ganzheit des Standes und

seinen äußeren wie inneren Kräften getragen und gestärkt. In der

individualistischen Ordnung ist der Wettkampf das Beherrschende,

wo der Einzelne in der Luft hängt, die Unsicherheit des Daseins am

innersten Lebenskern nagt und die kämpferische, gewaltsame Na-

tur in ihm immer wieder aufweckt. In der ständischen Gesellschaft

soll und darf zwar der Wettbewerb nicht ganz fehlen, aber er wird

in den Hintergrund treten und vor allem: Nur jene Individuen

werden ihn ernsthaft zu spüren bekommen, die sich freiwillig in

seinen bewegteren und schärferen Bereich begeben. Es wird also

die Schärfe des Wettbewerbes jenen Geistern nicht fehlen, die gerade

dadurch zu größerer und neuerer Kraftentfaltung, sei es in der

Wirtschaft, sei es in den damit eng zusammenhängenden Lebensbe-

reichen, angespornt werden können. Wer ihn scheut, läßt sich vom

Ganzen tragen und umschließen. Daraus folgt ein a n d e r e r

G e i s t d e r s t ä n d i s c h e n G e s e l l s c h a f t im Vergleich

zur heutigen

2

.

IV. Die Geistigkeit der ständischen Gesellschaft

Heute obsiegen vornehmlich die rücksichstlosen Naturen, die El-

1

Siehe auch unten S. 310 ff.

2

Siehe oben S. 75 ff. und S. 246 ff.