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Sozialismus, sofern er nach dem Schema der Planwirtschaft gedacht
wird. Je unverhältnismäßiger aber die Zahl der Beamten anwächst,
um so schwerfälliger und unbrauchbarer wird die ganze bureau-
kratische Maschine.
Überall, wo zentralistisch regiert wird, liegt eine atomistische
Staatskonstruktion zugrunde, das heißt der Beamte wird zum Or-
gan einer einzigen Staatsgewalt, die alles unmittelbar in sich begrei-
fen will. „Ein Volk, Eine Regierung“ — daher: Viele Beamte, für
diese Beamtengewalt, die vom Zentralkörper bis herab zum klein-
sten Lokalkörper reicht (am besten ausgebildet in Frankreich, am
wenigsten in England, dessen Staat überhaupt noch am meisten ein
Stück Mittelalter enthält); daher grundsätzlich lauter solche Beamte,
deren Wille von der höchsten Zentralgewalt aus bestimmt wird.
Anders der ständische Staat. Er gibt überall von den zentralen
Aufgaben an die anderen Stände ab, soweit nicht die Erfordernisse
des Gesamt- / ganzen entgegen stehen. Darum bedeutet die stän-
dische Gliederung der Gesellschaft, indem sie jener Einen Staatsge-
walt die selbständigen ständischen Körper an die Seite setzt: einen
Abbau des zentralistischen Beamtenkörpers, zum Teil einen Abbau
des Beamtenwesens überhaupt. Im Ständewesen fällt Beamter und
tätiger Führer grundsätzlich zusammen, wie wir in anderem Zu-
sammenhang schon hervorhoben. Der zünftige Handwerksmeister
z. B. ist gleichzeitig Beamter seines Standes, verwaltet seine Stan-
desangelegenheiten, ja er ist auch teilweise zugleich Beamter seiner
Stadtverwaltung (sofern die Gesamtheit der Zünfte Bestandteil der
Stadt und ihres Regimentes war) — das alles dazu ehrenamtlich.
Der feudale Grundherr ist als Richter und Ritter gleichzeitig Be-
amter, überdies auch in seiner Eigenschaft als Verwalter eines nur
lehenmäßig empfangenen Gutes, und doch in all dem ein Le-
b e n s f ü h r e r , der seine Probe bestehen m u ß , der nie zum
papierenen Menschen werden darf! Oder in modernen Zeiten: die
vereinsamtlichen Vorstandsmitglieder der Gewerkschaft, der Arbei-
terkranken- und Unfallversicherungsanstalten sind gleichzeitig Ar-
beiter, Beamte der Gewerkschaften wie Krankenkassen, indem sie
Leitungs- und Verwaltungsdienste beider ausüben; die Kartellmit-
glieder sind gleichzeitig Beamte der Kartellorganisation, insofern sie
Leitungs- und Verwaltungsarbeiten darinnen verrichten. Und sie
erhalten zugleich etwas vom Lebensführer, da sie auf Gedeih und