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Woher ist diese Bestimmung genommen oder abgeleitet, und wie

ist sie gerechtfertigt? (Beweisziel II

1

)

S i m m e l gelangt zu ihr, indem er davon ausgeht, daß jede Wis-

senschaft solche Komplexe als ihre Einheiten (Elemente) betrachtet,

welche für sie als Einheiten w i r k e n . Demgemäß, meint er,

„kommt es auch für die soziologische Betrachtung nur sozusagen

auf die empirischen Atome an, auf Vorstellungen, Individuen, Grup-

pen, die als Einheiten wirken, gleichviel, ob sie an und für sich noch

weiter teilbar sind“

1

. Zwar ist die Gesellschaft keine absolute Ein-

heit, kein in sich geschlossenes Wesen; daher kann nicht etwa aus

dem Charakter der Gesellschaftseinheit sich die Beschaffenheit der

Teile ergeben, „sondern es finden sich Beziehungen von Elementen,

auf Grund derer dann erst die Einheit ausgesprochen werden darf“

2

.

Daß es aber gerade „Vorstellungen, Individuen, Gruppen“ sind und

nicht auch anderes, welche jene Wechselbeziehung, die wir Gesell-

schaft nennen, konstituieren, das hat S i mme l nicht dargetan. Viel-

mehr sind die Begriffe „soziologische Betrachtung" und „Gesell-

schaft“ — aus denen her in dem angezogenen Gedankengang der

Grund für die bloße Inbetrachtziehung „psychischer“ Einheiten

entnommen erscheinen könnte — hier Undefiniert eingeführt, selbst

hypothetisch, das heißt also es ist das zu Bestimmende schon voraus-

gesetzt.

Diese, methodisch gesehen, aus der Pistole geschossene, souverän

eingeführte Bestimmung des Sozialen als Wechselwirkung p s y -

bestandteile des sozialen Körpers unterscheidet. Ähnlich de G r e e f, der als

die beiden sozialen Elemente „population“ und „territoire“ erklärt (vgl. Guil-

laume de Greef: Les lois sociologiques, Paris 1893, S. 75; ferner: Introduction

à la Sociologie, Bd 1, Brüssel 1886). Schließlich aber scheidet dieser doch die

Lehre von den äußeren Bedingungen der Gesellschaft als „Mèsologie“, von der

eigentlichen Soziologie aus, indem er sie als V o r s t u f e derselben erklärt.

Dies geschieht bei S c h ä f f l e nicht. Ferner haben mehr oder weniger strenge

oder nur gelegentlich auch von L i l i e n f e l d , S p e n c e r u n d W o r m s

Naturstoffe usw. mit zum sozialen Organismus gerechnet. Vgl. über diese Unter-

scheidung z. B. R e n e W o r m s : Organisme et société, Paris 1896, S. 51 ff.

(wo Worms g e g e n dieselbe polemisiert); später verfällt er (a. a. O., S. 201),

wie ihm P a u l B a r t h (Philosophie der Geschichte als Soziologie, Leipzig

1897, S. 161) richtig nachgewiesen hat, selbst in diesen Fehler.

1

Georg Simmel: Über soziale Differenzierung, in: Staats- und sozialwissen-

schaftliche Forschungen, herausgegeben von Gustav Schmoller, Bd 10, Leipzig

1890, S. 14; ähnlich: Philosophie des Geldes, Leipzig 1900, S. 143 ff.

-

Georg Simmel: Über soziale Differenzierung, a. a. O., S. 14.