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c h i s c h e r Einheiten, ist aber auch an sich, das heißt als materielle

Bestimmung schlechthin (von deren sonstigen Anspruch im Zusam-

menhange des Problems abzusehen ist) durchaus nicht unanfechtbar

(Beweisziel II

2

).

Es ist nämlich die (z. B. auch von T a r d e und anderen gezogene)

unmittelbare Konsequenz dieser Bestimmung die, daß zwischen den

wechselseitigen Abhängigkeiten von bewußten Wesen untereinander

(Mensch zu Mensch) und jenen von bewußten Wesen und nicht-

bewußten (Mensch zur Natur) ein unüberbrückbarer, prinzipieller

Unterschied angenommen wird. Wir wollen diese Behauptung an

den Ausführungen K i s t i a k o w s k i s , eines Schülers S i m m e l s ,

die unseres Erachtens ohne Bedenken als ganz im Geiste der S i m -

m e l ’ schen Konzeption hingenommen werden dürfen und müs-

sen, illustrieren und prüfen

1

.

Bei K i s t i a k o w s k i heißt es: „ . . . d i e Gesellschaft im Sinne der psychi-

schen Wechselwirkung ruft im Bewußtsein des Einzelnen psychische Zustände

hervor, die vollständig heterogener Natur sind und deren Gesamtheit ein be-

sonderes Gebiet der spezifisch sozialen Funktion ausmacht“

2

. Es sind neue, selb-

ständige Erscheinungen, das heißt es besteht zwischen individual- und sozial-

psychischen Erscheinungen ein p r i n z i p i e l l e r Gegensatz (was auch das

Aufrechterhalten je verschiedener Gesetzesreihen erfordert

3

). „ W e n n

m a n

n ä m l i c h d e n M e n s c h e n a l s b e w u ß t e s W e s e n v o n d e m R e s t

d e r N a t u r p r i n z i p i e l l u n t e r s c h e i d e t , s o m u ß m a n a u c h

i n d e r E i n w i r k u n g e i n e s a n d e r e n b e w u ß t e n W e s e n s a u f

i h n e i n g a n z n e u e s p r i n z i p i e l l v e r s c h i e d e n e s E l e m e n t

g e g e n ü b e r d e r W i r k u n g a l l e r s o n s t i g e n E i n d r ü c k e e r -

b l i c k e n . Denn ein fremdes Gefühl oder ein fremdes Wollen wirkt auf uns

völlig anders als eine Naturerscheinung.. .“

4

Dieser Unterschied zeige sich we-

1

S i m m e l selbst führt gelegentlich diese, prinzipiell aber eine andere, gleich

zu erwähnende Auffassung durch. Ersteres z. B., sofern die Wechselbeziehungen

zu Individuen niemals solchen zur Natur zur Seite gestellt werden, besonders:

Philosophie des Geldes, Leipzig 1900, S. 143 ff.; Uber soziale Differenzierung,

Soziologische und psychologische Untersuchungen, in: Staats- und sozialwissen-

schaftliche Forschungen, herausgegeben von Gustav Schmoller, Bd 10, Leipzig

1890, S. 13—15; Das Problem der Soziologie, in: Schmollers Jahrbuch für Ge-

setzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, Jg 18, Heft 4,

Leipzig 1894, S. 273, 276 usw.

2

Theodor Kistiakowski: Gesellschaft und Einzelwesen, Eine methodologische

Studie, Berlin 1899, S. 50.

3

Es bestehen ihm die Gesetze der Komplexe neben denen der Elemente

selbständig fort. Hier ist also K i s t i a k o w s k i konsequenter als S i m m e l .

— Vgl. Theodor Kistiakowski: Gesellschaft und Einzelwesen, a. a. O., S. 45 ff.

4

Theodor Kistiakowski: Gesellschaft und Einzelwesen, a. a. O., S. 50 f. (im

Original nicht gesperrt).

16

*