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[200/201]

Am meisten im bisherigen Verlaufe der Weltgeschichte haben die

französische Revolution und die ihr folgenden weiteren liberalen

Revolutionen und Reformen in Europa mit der ständischen Glie-

derung aufgeräumt. Aber mit welchem Elend der Arbeiterklasse, mit

welchen Verwüstungen alles Geistigen, aller inneren Kultur wurde

das erkauft! Dennoch, es zeigt sich, daß selbst solche barbarischeste

Anstrengungen die innere Natur von Staat und Wirtschaft nicht

ganz zu ersticken vermochten. Politisch haben die Wahlprivilegien

der besitzenden Gruppen (Zensus, Klassenwahlrecht) einen, wenn

auch herzlich schlechten, Ersatz für ständische Gliederung geschaffen.

Und wo später auch das wegfiel, mußten es die neu entstandenen

Führerklüngel oder P a r t e i e n und die Wahlcliquen gewisser

Gruppen tun, wie sich besonders an dem Beispiel Amerikas zeigt.

Noch mehr haben in demselben Maße, als die Gliederungen sich

nicht nur formell-rechtlich, sondern tatsächlich auflösten, die wirt-

schaftlichen Neubildungen (Kartelle usw.) zur Gewinnung ständi-

scher Bindungen gedrängt, wie wir später sehen werden.

Nicht nur die allgemeine Staatengeschichte aber, auch die Wirt-

schaftsgeschichte zeigt, daß (mit einziger und, wie wir eben sahen,

auch nur teilweiser Ausnahme der letzten hundert Jahre) z u

a l l e n Z e i t e n n u r s t ä n d i s c h e W i r t s c h a f t s o r d -

n u n g e n bestanden — eine Wahrheit, die unsere liberale, ato-

mistisch verblendete Geschichtsschreibung der neuen Zeit noch nicht

entdeckt hat, die aber geradezu an der Oberfläche liegt, wenn man

nur einmal die innere, zuletzt notwendig auf Gliederung, Zusam-

menfassung gestellte Natur von Wirtschaft und Gesellschaft erkannt

hat.

Weder die urkommunistischen Gesellschaftsordnungen, wie sie

Laveley-Bücher

1

, Morgan

2

, wie sie Engels und Marx, Kautsky und

Bebel angenommen haben, bestanden jemals; noch eine der kom-

munistischen Wirtschaftsverfassung selbst nur ähnliche Ordnung,

wie sie etwa in der deutschen „Markgenossenschaft“ nach der bis

vor kurzem herrschenden Lehre gegeben sein sollte (gleiche / Boden-

anteile, „Gewanne“, die angeblich periodisch neu aufgeteilt werden,

um Besitzverschiedenheiten zu verhindern), haben sich vor der kri-

1

Das Ureigentum, Leipzig 1879.

2

Die Urgesellschaft, deutsch von Eichhoff und Kautsky, Stuttgart 1891.