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§ 33. Die künftige Gestaltung der Stände
I. Die wirtschaftlichen Stände
Die wichtigste Frage der Neuordnung der Gesellschaft auf ständi-
scher Grundlage ist heute die Ordnung der wirtschaftlichen Stände,
im Mittelalter und Altertum dagegen war stets die Neugestaltung
der politischen, der mehr geistigen Stände das Wichtigste gewesen.
Heute rücken die rein wirtschaftlichen Stände in den Vordergrund,
nicht weil die wirtschaftliche Frage an sich die geschichtliche Entwick-
lung bestimmte, sondern weil in einer individualistischen Gesell-
schaft, in der die Wirtschaft sich selbst überlassen ist, dieser breiteste
Bereich des Lebens einer schlimmen Verwahrlosung ausgeliefert ist.
Die ersten Erfordernisse der künftigen Gestaltung der wirtschaft-
lichen Stände sind folgende: Zunächst daß die Entwicklung überall
an das schon jetzt Vorhandene organisch und planmäßig anknüpfe
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und ferner, daß die zu erstrebenden ständischen Gliederungen von
Anbeginn nicht erstarren und in eine Art Geburtsadel oder Geburts-
untertänigkeit ausmünden, sondern die Freiheit des Überganges von
dem niederen zu dem höheren Stande, wie die Notwendigkeit der
Zurückführung von dem höheren auf den niederen Stand grund-
sätzlich gewahrt werde.
Die leibhaftige Hauptfrage aber, das Um und Auf der wirklichen
Neugestaltung der Dinge, ist: Welche innere Ordnung den wirt-
schaftlichen Ständegliederungen gegeben werden solle. Wir haben
früher den allgemeinen Grundsatz „der lockeren Gemeinsamkeit“,
der „abgestuften, der zünftigen Genossenschaftlichkeit“ als den dem
Wesen des Standes angemessenen gefunden. Diesen Grundsatz gilt es
nun näher zu bestimmen und auf die heutige Wirklichkeit anzu-
wenden.
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Zwei Punkte stehen im Vordergrunde: Der innere und äußere
Aufbau der zünftigen Genossenschaften der Zukunft und die Eigen-
tums-Ordnung. Wir betrachten zunächst die letztere.
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Siehe darüber unten S. 291, Zusatz.