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vertrag (Tarifvertrag) einem Betriebe aufbürdet, indem sie dieselben
als eine Belastung des Betriebes (dieser als Rechts-Objekt aufgefaßt)
ansehen, ähnlich der Belastung des Grundstückes oder des Renten-
gutes
1
.
Denken wir uns auf Grund des Gesamtarbeitsvertrages eine zünf-
tiggenossenschaftliche Organisation der gewerblichen B e r u f -
s t ä n d e durchgeführt, so hätte dann nach unserem Lehrbegriffe
das Privateigentum an Erzeugungsmitteln nicht nur das innere Ge-
präge, sondern auch im rechtstechnischen Sinne die Form des
l e h e n s r e c h t l i c h e n Eigentums. Es herrschte dann Ober-
eigentum über fast alle Erzeugungsmittel der Wirtschaft.
Hier möchte folgende geschichtliche Selbstbestimmung am Orte
sein. Der lehensmäßige Eigentumsbegriff (dem allgemeinsten Sinne
nach, nicht nur rechts-technisch, sondern als Obereigentum über-
haupt zu verstehen) ist kein Erzeugnis mittelalterlicher Sonderent-
wicklung, vielmehr ein allgemeiner Begriff aller nicht-individualisti-
schen und nicht-kapitalistischen Geschichtsepochen und ganz beson-
ders ein germanischer Begriff, ja vielleicht darf man sagen, der ger-
manische Eigentumsbegriff schlechthin, denn er entspricht am mei-
sten dem germanischen Wesen, das auf Gliederung, nicht auf Neben-
einanderordnung geht. Das germanische Staats- und Wirtschafts-
wesen, das a u f T r e u e - V e r h ä l t n i s , G e f o l g s c h a f t ,
G e n o s s e n s c h a f t e n u n d O b e r e i g e n t u m b e i w i r t -
s c h a f t l i c h e r U n g l e i c h h e i t b e r u h t (denn daß die
„Gleichheit der Markgenossen“ nicht bestand, zeigte sich ja be-
reits)
2
, könnte mit dem abstrakt-individualistischen Eigentums-
begriff romanischer Auffassung schlechterdings nichts anfangen.
(Schon allein der deutsch-rechtliche Satz „Gott, nicht der Mensch,
macht die Erben“ beleuchtet dies.) Überhaupt lag dem germanischen
Recht die richtige Vorstellung zugrunde, daß es nur eine andere
Seite von Sittlichkeit, Pflicht und Gottesglauben sei, daß es mit die-
sem eine Einheit bilde. Selbst Wotan hatte die Erde bis zur Götter-
dämmerung gleichsam nur zu Lehen; so auch der König seine Ge-
1
So wohl als erster Roman Boos: Der Gesamtarbeitsvertrag nach schweizeri-
schem Recht. Deutsche Geistesformen deutschen Arbeiterlebens, München 1916,
Seite 171. Boos nimmt sehr richtig an, daß durch die Tarifgemeinschaft ein
„ O b e r e i g e n t u m “ des Fabrikherrn und ein „ U n t e r e i g e n t u m “ der
Arbeiterschaft entstehe.
2
Siehe oben S. 279.