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sam gesehen hat. (Anders war es ja in England, wo die Zentral-
gewalt stark blieb.)
Daß Körperschaften von solcher Beschaffenheit große eigene Mit-
tel verschlingen, ist klar. Damit allein schon wird ein eigenes s t ä n -
d i s c h e s S t e u e r w e s e n notwendig. Innere Umlagen der
Stände werden daher dem Steuerwesen des Staates einen Teil der
Aufgaben
abnehmen.
Ehrenamtlichkeit,
Körperschaftsvermögen,
persönliche Dienste und andere naturalwirtschaftliche Leistungen
werden die innere Steuerlast vermindern. Die gemeindlichen, land-
wirtschaftlichen und staatlichen Steuern brauchen ja deswegen noch
nicht (wie im Mittelalter) zu sogenannten Repartitionssteuern zu
werden, das heißt Steuern, die der absoluten Summe nach von den
Ständen als Ganze übernommen und dann unter die Zunftmitglie-
der aufgeteilt werden. Aber die Staatssteuern werden allerdings die
verwaltungsmäßige Mitwirkung der Genossenschaften, z. B. allein
schon bei den Katasterveranlagungen, nicht entbehren können. /
Das F a c h s c h u l w e s e n ist schon heute zum Teil in den
Händen der wirtschaftlichen Körperschaften. Wenn sich diese zu
großen Ständen und Gesamtverbänden auswachsen, wird auch das
höhere Fachschulwesen, ferner das fachwissenschaftliche Forschungs-
wesen (von der Art wie das deutsche Kohleninstitut) und die Ver-
suchsanstalten ganz anders unter ihre Obsorge kommen als heute.
Ein allgemeines Bildungswesen wird sich anschließen.
Das M a ß - , G e w i c h t - , M ü n z - , G e l d - u n d Z o l l -
w e s e n wird zwar nicht auf einzelne Stände, aber auf den Gesamt-
stand der Wirtschaftsverbände, das „ S t ä n d e h a u s “ , über-
gehen
1
, das darüber das entscheidende Wort sprechen wird.
Die S o z i a l p o l i t i k u n d W o h l f a h r t s p f l e g e ver-
bleibt zwar in der Oberaufsicht des Staates, wird aber ihre arteigene
Ausgestaltung, Durchführung und Finanzierung im Rahmen der
ständischen Verwaltungskörper finden. Diesen Weg hat die Sozial-
politik, wie wir oben nachgewiesen haben
2
, seit Bismarcks Zeiten
ohnehin schon genommen. Rechtsauskunft fachlicher Natur, ergän-
zende, über das Gesetz hinausgehende Wohnungsfürsorge, ergän-
zende Gesundheitspflege, ergänzendes Stipendienwesen sind Bei-
spiele, die für heutige Verhältnisse besonders naheliegen.
1
Siehe unten S. 310 ff.
2
Siehe oben S. 98 f. und öfter.