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ständische Gliederung. Wir denken uns solche „Räte“ in der Form,
daß die Arbeiter-Abteilungen sämtlicher ständischer Organisationen
eines örtlichen Umkreises als zusammenfassende Stelle den örtlichen
„Arbeiterrat“ (wenn man ihn so nennen wollte) bilden, das heißt die
Arbeitergruppe der Gesamtzunft eines örtlichen Kreises. Diese „Ar-
beiterräte“ würden höher hinauf mit den „Arbeiterkammern“ zu-
sammenfallen; ähnlich könnten sich die Räte der Angestellten und
Ingenieure, geistigen Arbeiter, Selbständigen bilden, die jeweils eben-
falls besondere Gruppen der Gesamtzunft darstellen und ihrerseits
höher hinauf abermals mit einzelnen „Kammern“ (oder Spitzen-
und Hauptverbänden) zusammenfallen, überdies aber eine Zentral-
stelle der Kammern bilden können. Ebenso fiele ein „Bauernrat“, in
welchem sehr wohl Bauern und Landarbeiter als selbständige Unter-
gruppen einträchtig verbunden bleiben können, mit der Landwirt-
schaftskammer zusammen. In dieser oder in ähnlicher Weise würden
die „Kammern“ und der Reichsverband der Gesamtzünfte — d e s -
s e n G e s t a l t d u r c h d i e h e u t i g e n v i e l b e r u f e n e n
„ S p i t z e n o r g a n i s a t i o n e n “ s c h o n i n w e s e n t l i -
c h e n L i n i e n s i c h t b a r w i r d — jene Gliederungen darstel-
len, welche die wirtschaftlichen Haupt-Berufstände zusammenfassen.
Denkt man sich die Gesamtheit der wirtschaftlichen Stände so oder
ähnlich zusammengefaßt, so bilden sie unmittelbar einen gesetz-
gebenden Körper: den Ständerat oder das wirtschaftliche Ständehaus,
eine Körperschaft, für die in dem jüngst im Reiche geschaffenen
„Reichs-Wirtschaftsrat“ bereits ein greifbarer Anfang gemacht
wurde (in der das erscheint, was Bismarck vergeblich er- / strebt
hat)
1
. Wieder ein Beweis dafür, wie unsere heutige Gesellschaft mit
notwendiger Gewalt und mit Riesenschritten in den ständischen
Staat hineinwächst.
Das Ständehaus wird fürs erste eine rein innere Tätigkeit entfal-
ten, gleichsam eine O b e r b e h ö r d e d e r i h m u n t e r s t e -
h e n d e n Z ü n f t e sein, und ferner die Rahmengesetzgebung für
das ständische Wirtschaftsleben schaffen, die von den Zünften erst
mit arteigenem Leben auszufüllen ist. Erst darüber hinaus, das heißt
nach außen hin, kann es (namentlich in der Übergangszeit) eine ähn-
1
Freilich ist bis heute (1931) der Berliner Reichswirtschaftsrat in Aufbau und
Rechten grundsätzlich verfehlt (Zusatz zur dritten Auflage).