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liehe Stellung im S t a a t e haben, wie die heutigen Parlamente. Das
Ständehaus darf jedenfalls keine „Schwatzbude“ werden, wie diese
Parlamente, sondern soll mehr b e h ö r d l i c h arbeiten, wie heute
ähnlich die Handelskammern. Es muß die redekünstlerischen öffent-
lichen Beratungen auf ein Mindestmaß herabsetzen. Auf diese Weise
verliert auch die so schwierige Frage der Abstimmung nach der blo-
ßen Anzahl ihre Bedeutung. Je mehr Angelegenheiten nach behörd-
licher Arbeitsweise und durch sachliche Verhandlungen der unmittel-
bar beteiligten Fachgruppen erledigt werden, um so mehr entschei-
det die Sache (das „Beste“), um so weniger Rolle haben Abstimmen
und Zum-Fenster-Hinausreden. Welche Rolle dabei mittelbare Wahl
und Urwahl spielen sollen, ist eine Frage zweiter Ordnung.
Daß das „Ständehaus“ keine Utopie ist, beweist die jüngste Gegen-
wart, wo die Regierungen in Wien und Berlin wiederholt mit den
sogenannten wirtschaftlichen Spitzenverbänden, das heißt einem im-
provisierten Ständehause, Vereinbarungen trafen, um sie dann vom
Parlamente formell beschließen zu lassen — das Ständehaus die
Wirklichkeit, die „Schwatzbude“ der Schein!
2. Hier entsteht die für den Ständestaat so wichtige Frage nach
dem V e r h ä l t n i s d e r s t ä n d i s c h e n K ö r p e r z u r
Z e n t r a l - S t a a t s g e w a l t
1
. Drei Grundtatsachen sind es, die
mir hierfür vor allem wesentlich erscheinen.
a.
Die erste besteht darin, daß die S t ä n d e s o v i e l W i r t -
s c h a f t s s t a a t , V e r w a 1 t u n g s s t a a t u n d S t e u e r -
s t a a t i n s i c h v e r k ö r p e r n , g l e i c h s a m i n s i c h g e -
s c h l u c k t h a b e n , d a ß d e r Z e n t r a l s t a a t e i n e a n -
d e r e , w e i t i d e e l l e r e N a t u r a n g e n o m m e n h a b e n
w i r d d e n n h e u t e . („Stand schluckt Staat“)
2
. Für den Staat
der ständischen Ordnung bleiben nur die großen politischen Auf-
gaben — äußere Politik, innere Politik, Heerwesen, Rechtswesen
(soweit dieses nicht ständisch-fachlich ist) — und die Oberaufsicht
über die anderen Stände, und zwar nicht nur den Wirtschaftsstand,
sondern auch der Stände der großen Kulturgebiete übrig, Religion
(Kirche), Erziehung (soweit sie nicht fachlich ist). Namentlich die
wirtschaftlichen Forderungen und Bestrebungen bleiben dann auf
1
Über das umgekehrte Verhältnis, nämlich des Staates zu den anderen Stän-
den, später, siehe S. 329 ff. (Zusatz zur vierten Auflage).
2
Siehe oben S. 301 f. und unten S. 330 f.