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Sache als solche, um die Kulturfragen als solche geht, nicht aber um
die staatskonstruktiven Grundpositionen wie: aufgeklärter Absolu-
tismus, monarchischer Liberalismus, Demokratie, Sozialpolitik,
Kommunismus, auf denen die heutigen Parteien vornehmlich be-
ruhen. Wenn das Ausgliederungserfordernis der Ganzheiten, die
Sache, das Beste zum Streitpunkt wird, ist die Gruppierung nicht
mehr jener der heutigen Parteien ähnlich
1
. Neben dem Ständehaus
bedarf es daher keines politischen Volkshauses mehr, es sei denn
übergangsweise
2
.
Wer die Sache recht betrachtet und von allen Seiten her ein leib-
haftiges Bild von ihr gewinnt, wird mit innerer Gewißheit begrei-
fen, wie nun Wirtschaft und Idee, jedes in sein Reich zurücktritt,
wie die Wirtschaft, nachdem sie ihre Freiheit und Selbstbestimmung
gewonnen hat, nun wieder willig der Diener des Geistigen, der
Untergebene der Idee werden wird, wie so die große Menge ruhigen
Anteil nehmen kann an den leitenden Gedanken einer Kultur, an
den Haupterkenntnissen der Wissenschaft, an den Auseinanderset-
zungen dieser Ideen selbst, welche ihre sittlichen Folgerungen auf
politischem Gebiete mit sich bringen. Dann wird sich die große
Menge wieder beugen vor der Macht des Geistes, das Materielle in
seinem Bereiche verharren und der schöne, beglückende Abglanz
des Ideellen bis in das schlichteste und einfachste Herz reichen.
Auch jener Leser, der innerlich bereits Abschied genommen hat von der De-
mokratie und jeglichem Individualismus, könnte an dieser Stelle die Frage auf-
werfen, ob denn das V e r h ä l t n i s d e s E i n z e l n e n z u m S t a a t e er-
schöpfend damit gestaltet sei, daß der Ein- / zelne jeweils nur in seinem Stande
mitregiere. Wenn die Schuster die Angelegenheiten der Schusterei selbst regeln,
ein Kreis, den es angeht, die Frage, ob eine bestimmte Brücke gebaut werden
soll
3
, so leuchtet die Richtigkeit dieser Ordnung, wo jeder König in seinem
Reiche ist, wohl ein. Ist aber, diese Frage bleibt zurück, damit des Verhältnis
des Einzelnen zum Staate erschöpft? — Das ist allerdings nicht der Fall. Das
Verhältnis des Einzelnen zum Staate ist damit zuerst als ein m i t t e l b a r e s
gegeben, und zwar insofern, als Zunft und Stand als Ganze nach Maßgabe ihres
Sachgehaltes zum Staate in einem bestimmten Verhältnisse stehen; es ist ferner
aber auch darüber hinaus noch als u n m i t t e l b a r e s durch das Volksbewußt-
sein und Staatsbewußtsein gegeben, das als ein starkes, unzerreißbares Band alle
Volks- und Staatsgenossen — die im weitesten Sinne dasselbe sind — vereint.
Anstaltsmäßig (institutionell) kann freilich dieses unmittelbare Verhältnis um-
1
Darüber unten mehr, siehe S. 330 f.
2
Siehe unten S. 337 ff.
3
Siehe dazu das oben angeführte Beispiel, oben S. 119 f.