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Naturwissenschaften, die doch für wahre Geistesbildung stets nur

Untergeordnetes leisten können.

Es wäre allerdings ein Irrtum, anzunehmen, daß mit organisatori-

schen Vorsorgen der bezeichneten Art die Lage der geistig schöpfe-

rischen Menschen schon durchgreifend besser werden könnte. Auch

im ständischen Staate besteht ja der volle Abstand zwischen geistigen

und ungeistigen Menschen, den die Natur gesetzt hat, den Men-

schenkunst niemals beseitigen kann.

Soviel kann man dagegen mit Sicherheit sagen, daß das geistige

Leben im ständischen Staate eine ganz andere Stätte finden wird als

im heutigen Kapitalistenstaate — weil der ganze Geist dieses Le-

bens ein höherer sein wird als heute, weil sich das Leben in Ge-

meinschaften abspielt, nicht auf die abgetrennten Einzelnen, nicht

auf die Reste zerriebener Stände kümmerlich verwiesen ist. Darum

wird dann das breite Publikum (der eigentliche Resonanzboden aller

breiteren geistigen Erzeugung und aller Ausbildung von Stil und

Kultur) nun erst so eigentlich für ein geistiges Leben bereit sein.

Tausende von Bildungsstätten und Bildungsgemeinschaften aller

Art werden erstehen, und jeder, der ein geistiges Wort zur Menge

spricht, wird seine Zuhörer finden. Er wird nicht in dem Lärm und

Gedränge des Alltags- / kampfes ungehört verhallen. Auch im Mit-

telalter war ja das kirchliche Leben eine tausendfältige Bildungs-

stätte. Die ständische Gesellschaft wird eine ungleich höhere und

selbständigere, vertieftere Geistigkeit sich erringen, als es die kapi-

talistische Barbarenzeit vermocht hat. Auf diesem Fels wird das

Genie der Zukunft seine Kirche bauen.

Z u s a t z z u r d r i t t e n A u f l a g e

A u s b l i c k e

Die Frage, wie sich Wirtschaft und Staat zum Stande umbilden

lassen, möge zuletzt nochmals berührt werden.

Wir unterscheiden zwei Möglichkeiten: eine allmähliche Umbil-

dung und eine plötzliche Neugestaltung der heutigen Ordnung.

1. Im Falle einer allmählichen und mehr friedlichen Umgestal-

tung ist es denkbar, daß das heutige Organisationsgebäude der

Wirtschaft, wie es in Kartellen, Konzernen, Trusts, Genossenschaften

einerseits, Gewerkvereinen andererseits, die aber doch beide durch

Tarifverträge und Schlichtungswesen in gewissem Sinne vereinheit-

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