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dann um den künftigen Staatsführer schart, hätte das heutige Par-
lament entweder zu ersetzen oder — falls es formell bestehen bliebe
— zu überhöhen.
Wie ein solcher „Staatsrat“ zusammenzusetzen wäre, im Einzelnen
auszumalen, ist müßig, da, wie gesagt, in einem solchen Falle alles
auf die geschichtlichen Umstände und auf die Persönlichkeiten an-
kommt. Soviel steht aber fest, daß er bei richtigem Aufbaue einer-
seits die lebendige Fühlungnahme mit allen anderen Ständen zu hal-
ten und daher reichlich Vertreter derselben in seine Mitte zu beru-
fen, andererseits das Heft nicht aus der Hand zu geben habe. Der
staatstragende Stand und sein Führer muß in einem solchen Falle
bedingungslos Herr im Hause bleiben. Denn nur dann kann er als
Höchststand seine Aufgaben erfüllen (Ende des Zusatzes)
1
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§ 36. Die Erziehung
2
Die ständische Ordnung erscheint, indem sie sich auf die eigen-
artige Geistigkeit kleiner Kreise gründet, zweifellos solange als die
allein sachgemäße und vollkommene, als man die Gesellschaft als
ein ruhendes Sein betrachtet. Dem jeweiligen Stufenbau von geisti-
gen Gemeinschaftskreisen entspricht dann ein gleichartiger Stufen-
bau von Organisationskreisen, den Ständen. Sieht man aber die Ge-
sellschaft im Wechsel von Leben und Tod ihrer Bevölkerung an und
im Wechsel der herrschenden Ideenrichtungen der Geschichte, dann
erscheint, wie sich zeigte
3
, eine neue schwierige Frage: die Geburts-
stände. Die Nachrückenden haben die Neigung, in die Stelle ihrer
Eltern und Verwandten einzutreten. Vererbung des Besitzes, der
persönlichen Verbindungen und was das meiste bedeutet, der an-
gemessenen Erziehung und Überlieferung sind die Vorteile, welche
die Nachkommenschaft der bevorzugten Stände genießt. Nicht die
Fähigkeit allein entscheidet dann, sondern die ererbte Stellung und
die Überlieferung. Solange sich diese Erscheinung innerhalb gesun-
1
Vgl. oben S. 256 ff. und 329 ff.
2
Zusatz zur vierten Auflage. Zur Ergänzung vgl. jetzt meine Abhandlung
über Ganzheitliche Erziehungslehre in: Kämpfende Wissenschaft, Jena 1934,
S. 106, jetzt: 2. Aufl., Graz 1970, S. 153 ff. (= Othmar Spann Gesamtausgabe,
Bd 7).
3
Siehe oben S. 317 ff.