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ihrer Körperschaften und Verbände nach außen hin gegenüber den
anderen ständischen Gliederungen und gegenüber dem Staate und
den staatlichen Körperschaften, sie sind deren Wortführer und Ver-
treter.
Der politische Stand wird aber nicht nur durch diese Nebenamt-
lichkeit seiner Verrichtungen durch die Führer der Wirtschaftskör-
per verkleinert, sondern auch dadurch, daß der Raum für staatliche
und staatskörperschaftliche (z. B. gemeindliche) Politik überhaupt
eingeengt erscheint. Die Schäden der Demokratie sind eben beseitigt.
Wo Gleiche unter Gleichen ihre Angelegenheiten bestellen, wo im
engen Kreise die eigenen Angelegenheiten von den eigenen Betei-
ligten erledigt werden, da bleibt für große, massenverführerische
Politiker, für den Lärm der Demokratie, für das Werben um die
Gunst und die Stimmen aller unendlich viel weniger Spielraum.
Die p o l i t i s c h e A r b e i t i m S t ä n d e s t a a t w i r d w e -
n i g e r
W e r b e a r b e i t ,
w e n i g e r
M a s s e n g e w i n -
n u n g s - u n d M a s s e n f ü h r u n g s a r b e i t s e i n , als viel-
mehr ein Kampf großer körperschaftlicher, in sich bereits organi-
sierter Gruppen / teils miteinander um die Erreichung größerer, ge-
meinsamer Ziele, teils gegeneinander
1
; und auf diese Weise auch
mehr als bisher eine sachliche, schöpferische Gestaltungs- und Or-
ganisierungsarbeit. Wo der freie, demokratisch-anarchistische Spiel-
raum von heute nicht mehr ist, wo statt der Menge Einzelner lauter
Gliederungen und Gruppen, lauter Verbände und Körperschaften
einander gegenüberstehen, die alle wissen, was sie wollen, dort ist
nicht mehr für demagogische Künste und rein rhetorische Persön-
lichkeiten, sondern wesentlich nur für sachliche Arbeit Raum; sind
doch alle Beteiligten in autoritative Bindungen eingegliedert, von
eigenen geistig-geschichtlichen Mächten umfangen! So erklärt es sich
auch, daß das Mittelalter gegenüber Griechenland und Rom, daß
schon Sparta gegenüber Athen unendlich viel weniger politischen
Lärm kennt.
Diesen ungeheuren Gewinn des ständischen Staates kann man
auch noch von einer anderen Seite her bestimmen: N i c h t m e h r
d i e v e r s t ä n d n i s l o s e n , u n b e l e h r t e n M a s s e n w ä h -
l e n i h r e F ü h r e r , s o n d e r n d i e F ü h r e r d e r m a n -
1
Vgl. dazu oben S. 296: „Vom Interessenverband zum Berufsstande“, das heißt
zur Erlangung der Gliedhaftigkeit (Zusatz zur 4. Auflage).