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dere oder höhere Bildung und wieder ob für die humanistische,

technische oder kaufmännische Bildung zu bestimmen sei. Und hier-

von abgesehen, sind gerade die Lehrpläne der unteren Klassen der

Gymnasien (und auch der Realschulen) überbürdet, während die

oberen Klassen an B e g a b u n g schlechthin keine Anforderungen

mehr stellen — das Verkehrteste, das denkbar ist. Unter solcher

Bevorzugung der Frühreifen leiden aber besonders die Kinder der

armen Familien, da sie nicht so viel Anregung haben wie jene der

reichen und gebildeten Familien, und ferner die Kinder ländlicher

Verhältnisse gegenüber jenen der städtischen, da die stillere länd-

liche Umgebung den Geist langsamer erwachen läßt; ferner wohl

auch die Blonden gegenüber den Dunklen und ganz allgemein die

nordische gegenüber den anderen Rassen. „Als Knaben und noch-

mals als Männer siegen nur wenige in Olympia“ berichtet Aristo-

teles mit tiefem Sinne

1

.

Dies alles veranschlagt, muß die Hoffnung kindlicher Seelen und

pfuscherischer Reformer von heute, durch „Rückkehr zur Natur",

„gute Lehrer“, bessere Unterrichtsverfahren und ähnlichem eine

Beseitigung der grundsätzlichen Mängel unseres Erziehungswesens

herbeizuführen, als ganz irrig fallen gelassen werden. Entweder

gehen solche Ansichten auf die schon früher behandelte „Umwelt-

theorie“ zurück

2

, wonach äußere Einflüsse alles aus einem Menschen

machen können, der menschliche Geist daher grenzenlos vervoll-

kommnungsfähig sei, eine Lehre, die überhaupt nicht ernst zu neh-

men ist; oder sie glauben an eine natürliche Überfülle von Begabun-

gen im Volke, welche bewirkte, daß alle wichtigeren Stellen in Wirt-

schaft und Gesellschaft von hervorragend begabten Menschen aus-

gefüllt werden könnten. Auch das ist leider falsch. Wie für die Er-

ziehung zu wenig „gute Lehrer“, so für / alle anderen Führerstellen

zu wenig schöpferische Menschen. K e i n V o l k h a t s o v i e l e

ü b e r r a g e n d B e g a b t e , u m e i n u m f a n g r e i c h e s

E r z i e h u n g s w e s e n u n d d i e h ö h e r e n S t ä n d e a u c h

n u r a n n ä h e r n d m i t i h n e n b e s e t z e n z u k ö n n e n .

Wer in erzieherischen Dingen, ja wer überhaupt in gesellschafts-

wissenschaftlichen Dingen mitsprechen will, muß sich über die

1

Aristoteles: Politik, VIII, 4, deutsch von Eugen Rolfes, 3. Aufl., Leipzig 1922

(= Philosophische Bibliothek, Bd 7).

2

Siehe oben S. 36 f.