Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2815 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2815 / 9133 Next Page
Page Background

[268/269]

245

lich. Wer aber die Zusammenhänge der Wirtschaft in ihrer sinnvollen, ganz-

heitlichen, auf Gegenseitigkeit begründeten Natur erkennt, muß sich über

die Oberflächlichkeit der Unterstellung „Wenn x sich ändert, aber alle an-

deren Umstände gleich bleiben,..." wundern. Eine solche Unterstellung ist

ja für jede Gleichung, für die mathematische Untersuchungsform überhaupt

unentbehrlich, aber auf die wirtschaftstheoretische Untersuchung nicht an-

wendbar. In der Physik hat es immerhin einen Sinn, zu fragen: „Wenn sich

das Volumen ändert, alle anderen Umstände aber gleich bleiben,... wie

ändert sich dann Druck und Temperatur?"; in der Volkswirtschaftslehre ist

es aber absolut unstatthaft, zu fragen: „Wenn sich das Volumen ändert, alle

anderen Umstände aber gleich bleiben,... wie ändern sich dann die Preise?"

Während es in der Physik (wenigstens in bedingtem Sinne) nicht wesens-

widrig ist, zuerst das Volumen allein zu ändern, ist die Annahme, das An-

gebot allein ändere sich und alles andere bleibe zunächst unverändert,

ebenso wesenswidrig, wie etwa die Annahme des A t m e n s i m l u f t - /

l e e r e n R a u m e . Nicht die Vereinfachung an sich ist es dann, die an-

zufechten ist, sondern das Wesenswidrige solcher Vereinfachung! Denn im

luftleeren Raume kann man b e g r i f f s g e m ä ß nicht atmen. Die Frage,

wie die Körper im luftleeren Raum fallen, ist nicht wesenswidrig; die

Frage, wie sich die Preise ändern, wenn sich zuerst das Angebot allein

ändert, ist wesenswidrig.

Das „ceteris paribus" ist in der Wirtschaftstheorie grundsätzlich wesens-

widrig. Würde, so lehrte uns schon früher ein Beispiel, plötzlich doppelt so-

viel Angebot an Eisen auf dem Markte auftreten, so müßten vorher die

Bergwerke, die Hüttenwerke, die Verfrachtung, die Löhne, die Finanzie-

rungs- und Bankleistungen und vieles andere sich geändert haben — die

ganze Volkswirtschaft hat sich geändert, ehe jenes „doppelte Angebot" auf

dem Markte erscheint.

In einem bloß m a r k t t e c h n i s c h e n S i n n e allerdings, und

von der Froschperspektive des einzelnen Marktbesuchers aus gese-

hen, kann die Annahme alleiniger Veränderung des Angebotes (und

so fort) immerhin annähernd gemacht werden. Selbst da aber will

stets der S i n n , den jene annähernd als allein stattfindend ange-

nommenen Veränderungen im Wirtschaftszusammenhange haben,

zuerst beurteilt sein, ehe die Mengenwirkungen in Betracht kom-

men können. Von dem berühmten „Gesetz des Angebotes und der

Nachfrage“, von all jenen vielfältigen Kurven, „Gleichungen“,

„Formeln“, von den mathematischen „Bedingungen des wirtschaft-

lichen Gleichgewichtes“ in den Lehrbüchern bleibt dann nichts an-

deres übrig als eine m a r k t t e c h n i s c h e F a u s t r e g e l . Dar-

über hinaus bleiben von allen Formeln der mathematischen Schulen

nur Tautologien übrig

1

.

1

Vgl. mein Buch: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre, 23. Aufl.,

Leipzig 1933, S. 89 ff., 175 ff. und 186 [25. Aufl., Heidelberg 1949, S. 96 ff.,

190 ff. und 205],