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über nichts grundsätzlich Neues enthält, ist ebenso falsch. Denn —
um nur den einen Punkt hervorzuheben — ist der Profit keine
Restgröße, so beruht auch das Unternehmereinkommen nicht
grundsätzlich auf Ausbeutung, wie Marx behauptete; so gibt es
auch den Mehrwert nicht im Marxischen Sinne; so sind auch Zins
und alle anderen Renten keine Ableitungen, die aus jener einzigen
Restgröße der Wirtschaft (dem Profit = Mehrwert) bezahlt wür-
den.
Ebenso steht es mit der G r e n z n u t z e n s c h u l e . Soweit sie
überhaupt eine eigene Verteilungslehre entwickelt, stehen die Frage-
stellungen und sogar die Lösungen Ricardo nahe. Die schon in der
älteren deutschen Nutzwertschule von Hermann, Schäffle und an-
deren entwickelte, von Menger erneuerte Lehre: daß überall Renten
entstehen (nicht nur beim Boden), ist zwar ein Fortschritt; aber sie
wird dadurch wieder ihrer grundsätzlichen Folgerungen beraubt,
daß sie doch den Grundfehler Ricardos / und Marxens beibehält,
die Renten als Differenzen zu fassen, womit sie wieder Restgrößen,
das heißt aber wieder: ein Abzug von dem Wirtschaftsertrage an-
derer wären! — Der Lohn sodann, aus der „Grenzproduktivität“
des „Grenzbetriebes“ entwickelt, ist schließlich infolge der gedrück-
ten Stellung des „Grenzbetriebes“ (nach Wieser) in der praktischen
Folge nichts anderes als ein Erhaltungslohn — also wieder ein Ein-
lenken in die alte Ricardo-Marxische Lösung. Ja, er kann sogar
dauernd niedriger sein, wenn, so muß man folgern, der Grenz-
betrieb ein Zubußbetrieb ist, und wenn auch der Arbeiter ein Zu-
bußarbeiter ist — ist damit nicht gerade die Marxische Lehre von
der „industriellen Reservearmee“ werttheoretisch wieder zu Ehren
gebracht? Das war gewiß gegen den Willen Mengers und Wiesers,
aber darum nicht weniger wirksam. — Zur Erklärung des Unter-
nehmergewinnes kann die Grenznutzenlehre nichts Entscheidendes
beibringen, es wäre denn, daß man ihn vom „Grenzunternehmer“
aufsteigend als Differentialrente auffaßt — abermals dann wie bei
Ricardo, nämlich als Restgröße, ja wie bei Marx als Aneignung des
Einkommens anderer! — Den Kapitalzins kann sie ebensowenig
erklären wie vor ihr Marx und Ricardo; was Böhm-Bawerk selbst
am deutlichsten zeigt, wenn er zu einer rein psychologischen Er-
klärung (nämlich aus der „Unterschätzung der Zukunftsgüter“, der
Agiolehre) Zuflucht nimmt. Warum ist das nötig? Weil die Grenz-