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engeren der Wirtschaft die Voraussetzung gänzlich fehlt
1
. Doch las-
sen wir hier das rein Soziologische beiseite.
Wird der Einzelne, von dem die wirtschaftlichen Handlungen
ausgehen, folgerichtig als etwas ganz für sich Seiendes, Selbsthaftes,
Eigenes (Autarkes, Autonomes) gedacht, so steht jeder für sich als
ein Robinson da, der mit den anderen wirtschaftlich nichts zu tun
hat; in diesem Falle, in welchem eigentlich ganz allein der Begriff
des Einzelnen folgerichtig festgehalten wird, entsteht überhaupt
keinerlei Volkswirtschaft, kein Verkehr.
Wird aber der Begriff des Einzelnen wirtschaftlich nicht so streng
festgehalten, sondern auf solche Weise gedacht, daß der Einzelne
infolge von Arbeitsteilung Dinge herstellt, die er / gegen andere
eintauschen muß; und wird weiter der Einzelne wirklich als auf sich
selbst begründet und von außen her unbeschränkt frei gedacht —
so entstünde wieder keine Volkswirtschaft, sondern, wenn man es
genau bedenkt, ein ungestaltetes, reibungsvolles Durcheinander von
Tauschhandlungen, ein planloses Chaos. Ein Chaos in zwiefachem
Sinne:
1.
Im Sinne eines gänzlich unordentlichen, ja schließlich unmög-
lichen Ablaufes der Verkehrshandlungen. Bei vollkommener Frei-
heit des Einzelnen könnte nicht Recht noch Sicherheit, nicht Borg
noch Geld, nicht Vertrauen noch Vertrag bestehen, zumindest nicht
in jenem Maße, als nötig ist, um einen gedeihlichen "Wirtschaftsgang
zu sichern; die Menschen brauchen Recht, Sitte und Gesetz, Strafe,
Sicherheit; öffentliches Maß und Gewicht, Ordnung des Geldwesens,
Wirtschaftsmoral, Wirtschaftserziehung und tausend andere ähnliche
H i l f e n d e r A l l g e m e i n h e i t , die uns „Staat“, „Gemeinde“,
„Verbände“ und so fort auf Schritt und Tritt zur Verfügung stel-
len und die jeder Handlung jedes Einzelnen vorgestaltend, geburts-
helfend vorstehen, die bei jeder Wirtschaftshandlung gleichsam un-
sichtbar mitwirken! Diese überindividuellen schöpferischen Wirt-
schaftsmittel (Kapital höherer Ordnung
1 2
) haben die Eigenschaft, daß
1
Die Begründung dafür in meiner Gesellschaftslehre, 3. Aufl., Leipzig
1930, S. 123 ff. und 176 ff., und in meinem Buche: Der wahre Staat, 3. Aufl.,
Jena 1931, §§ 13 und 14 [4. Aufl., Jena 1938, S. 38 ff. und 49 ff.].
2
Vgl. oben S. 84 ff., 104 ff. und öfter: Fundament der Volkswirtschafts-
lehre, 4. Aufl., Jena 1929, S. 101 ff., 156 ff., 177 ff. und öfter.