Table of Contents Table of Contents
Previous Page  2899 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 2899 / 9133 Next Page
Page Background

[365/366]

329

neueren Europa (wobei „Freiheit“ durchaus nicht buchstäblich zu

verstehen ist!) sind gleichfalls nur schrittweise Fabriken, Eisen-

bahnen und Großbetriebe anderer Art an die Stelle der alten

Gliederungen getreten. Aber selbst dieser größtenteils recht lang-

same Hergang hatte immer wieder Zustände fürchterlicher / Un-

ordnung, Krisen, Wirtschaftszerstörungen großen Stils zur Folge,

worauf wir später noch zurückkommen werden.

Diesen Überlegungen gegenüber müssen all die herkömmlichen

Redensarten von der „Selbstregulierung“ der Verkehrswirtschaft,

z. B. durch Hinströmen des Kapitals zu dem Orte des größten Ge-

winnes und durch Ausgleich der Gewinne infolge freien Wett-

bewerbs, oder von der absichtslosen „Entstehung“ des Geldes durch

Annahme der absatzfähigsten Ware und ähnliche „automatische“

Vorgänge verstummen. Schon daß „Wettbewerb“ als organisie-

rende Kraft gefaßt werden muß, statt als reiner Ausfluß der Selbst-

bestimmtheit des Individuums, zeigt den Widerspruch im Begriffe

der Verkehrswirtschaft

1

. Die alten Klassiker waren da auch viel

ehrlicher. Für sie war es geradewegs eine „prästabilierte Harmonie“,

ein unerklärliches Wunder, daß im Ganzen etwas Geordnetes und

Vernünftiges herauskomme, wo jeder Einzelne nur tut, was er

will. Heute getraut man sich nicht mehr, dieses Wunder anzuneh-

men, behält aber die Folgerungen, die die sogenannten Klassiker

daraus zogen, bei.

Diese grundsätzlichen Überlegungen genügen bereits, um die

utopische Natur der absoluten oder reinen Verkehrswirtschaft klar-

zulegen. W i r t s c h a f t l i c h e r „ V e r k e h r “ s e l b s t ä n d i g

g e d a c h t e r E i n z e l n e r z e i g t s i c h a l s u n m ö g l i c h .

Das Nachfolgende soll aber noch im besonderen unsere Be-

hauptung beweisen. Geht man nämlich ins einzelne, so zeigt sich

gleich, daß der individuelle Ursprung der wirtschaftlichen Hand-

lungen eine Täuschung ist. Die rein psychologische Seite der Sache:

daß der einzelne Arbeiter oder Unternehmer sich wirklich selber

entschließen müsse, daß also im wirtschaftlichen Handeln psycho-

logisch etwas ganz Persönliches vor sich gehe, geben wir billig zu —

aber was will das besagen? Es besagt gar nichts, weil es keine wirt-

1

Darüber siehe oben, am Ende der Zweiten Abhandlung, S. 73 f.