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sehnte erwecken, das / waren die zwei Gebote der Lebenskraft. Aber

wie können wir das durch die Sehnsucht Erweckte weiterentwickeln?,

wie ein immer höheres Ziel erreichen? Das führt uns auf das dritte

Gebot der Lebenskunst, das den andern vorgeht. Es heißt: Fasse alle

Kräfte zusammen, sammle Dich auf Eine Aufgabe, steigere diese

Sammlung bis zur Versenkung.

S a m m l u n g u n d V e r s e n k u n g i s t d e r K ö n i g s -

w e g a l l e r L e b e n s k u n s t . Nichts Großes kann ohne Samm-

lung und Versenkung vollbracht werden. Zuerst kann jede innere

Erweckung nur stattfinden, wenn man sich ganz darauf einstellt.

Sehnsucht ist schon Beginn von Sammlung. Beharrliche Sehnsucht

führt zur Sammlung auf den ersehnten Gegenstand. In Sammlung,

in immer tieferer Versenkung findet alle Lebenskunst ihr Ziel (auch

das Gebet, von dem hier aber nicht zu sprechen ist). Die Versenkung

allein vermag den Menschen aus seiner Ohnmacht, der Zerstreuung,

hinauszuführen, indem sie ihn nämlich zu sich selbst zurückbringt

1

.

Hier liegt die Grenze dessen, was man aussprechen kann. Man

kann eigentlich nur sagen, was n i c h t sein dürfe. Wie schwierig

unverstörte Sammlung unserem unruhigen Geiste auch nur kurze

Zeit fällt, zeigt das bekannte Beispiel von der Wette des Abtes mit

dem Mönche, der diesem ein Pferd schenken wollte, wenn er ein

Vaterunser beten könne, ohne an etwas anderes zu denken. Wäh-

rend des Betens aber fragte sich der Mönch, ob er auch wohl den

Sattel dazu bekäme? Und damit hatte er die Wette verloren.

Um eine gesammelte Haltung zu gewinnen, muß man zuerst

die L e b e n s g e w o h n h e i t e n so umstellen, daß alles Zerstreu-

ende, Ablenkende (und wären es auch nützliche Dinge wie Aus-

flüge, Vorträge usw.) vermieden werde. Ist das unmöglich, wie z. B.

bei Politikern, Rechtsanwälten, hohen Beamten, die infolge unauf-

hörlicher Verhandlungen, Reden, Reisen ein gehetztes Leben füh-

ren müssen, dann sei es eiserner Grundsatz, täglich 1—2 Stunden

allein zu sein. Hierbei kann man sich sammeln, die Kräfte des

Geistes auf eine bestimmte Aufgabe lenken. Das läßt sich minde-

1

Vgl. die betreffenden Abschnitte in meinen Büchern: Der Schöpfungsgang des

Geistes, Jena 1928, S. 250 ff. [2. Aufl., Graz 1969, S. 229 ff.] und: Die Haupt-

theorien der Volkswirtschaftslehre (1911), 22. Aufl., Leipzig 1932, S. 214 ff.

[28. Aufl., Graz 1969, S. 247 ff.].