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Eine andere Frage ist die Z e i t . Ohne Zeithaben keine Samm-
lung! Pünktlichkeit lehrt Zeit gewinnen, Ordnung lehrt Zeit ge-
winnen. Goethe sagt:
Mein Erbteil wie herrlich weit und breit.
Die Zeit ist mein Besitz, mein Acker die Zeit
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Haushalten mit der Zeit ist strengstes Gebot höherer Lebens-
kunst. Man muß sich ein Zeitgewissen anbilden. Es gibt kein sitt-
liches Gewissen ohne Zeitgewissen. Genaue Einteilung und Nützung
der Zeit hängt eng zusammen. Zeit ist nicht Geld, aber in ihr kann
man den Aufbau des Lebens entweder vollbringen oder versäumen.
„Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.“
Mit all’ dem hängt auch die G e d ä c h t n i s - u n d W i l -
l e n s b i l d u n g zusammen, über welche zumeist falsche Meinun-
gen bestehen. Nicht auf Gedächtnis im technischen Sinne kommt es
an, sondern auf das, was man sich in Erinnerung ruft. Darum ist
Gedächtnis eine sittliche Angelegenheit, ist es eine Grundlage sitt-
licher Bildung der Persönlichkeit. Gedächtnis ist innere Stetigkeit des
Geistes, Festhalten des Erworbenen, Treue gegen sich selbst (die
auch, dem Wesen der Gezweiung gemäß, Treue zum andern in sich
schließt). Wahres Gedächtnis ist also nur eine andere Seite der
Sammlung. Ebenso der Wille. Es gibt darum auch keine allgemeine,
abstrakte Willensbildung, sondern einen Willen (das heißt Samm-
lung) zum Glauben, einen Willen zum Denken, zum Gestalten, zur
Bildung der Sinnlichkeit und, erst auf Grund alles genannten Wol-
lens, zum Handeln. Das sind durchaus verschiedene Willensebenen,
die nicht ein und derselben Erziehung unterliegen.
Das alles zusammen kann man aber nur die Vorburg der Samm-
lung und Versenkung nennen. Was Sammlung und Versenkung
selbst sei, lehren alle Mystiker. Meister Eckehart sagt in seinen Pre-
digten immer wieder: Sammlung, innere Abgeschiedenheit geschehe
durch S i c h l e e r m a c h e n von anderem. Das ist der echte Be-
griff der Sammlung nicht nur, sondern auch der A s k e s e :
Askese ist Sammlung auf das, was man will, und Beiseitelassen alles
dessen, was dem Gewollten widerspricht. Der größte Asket ist in
gewissem Sinne (man verstehe es recht) der selbstsüchtigste Mensch.
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Johann Wolfgang von Goethe: West-östlicher Divan, Hikmet Nameh = Buch
der Sprüche, Nr 10 (1819).