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nicht äußerlich unterrichtet werden, sondern gründet auf dem Mei-

ster-Jünger-Verhältnis und auf Vorbildverehrung.

Je höher die Wahrheit, um so weniger kann sie von allen be-

griffen werden. Darum überall die umkämpfte Stellung der Wahr-

heit in der Geschichte.

Die Wahrheit muß betteln gehen und doch hat sie Macht über

alles. Denn wer sich ihr nicht unterwirft, büßt ein und geht schließ-

lich zugrunde.

c.

Erziehung zur Kunst

Eine Erziehung in der Kunst (die in einem eigenen Vortrage be-

handelt wird) kann sich noch weniger durch Unterricht vollziehen

als in der Wissenschaft. Aller Unterricht verbleibt hier im Techni-

schen, im Einzelnen. Kunstverständnis muß aber vom Weiten ins

Enge gehen, vom Gesamteindruck zum Einzelnen. Zuerst den

B l i t z d e s G a n z e n in sich aufnehmen, das Kunstwerk als

Ganzes betrachten, dann erst die Teile.

/

Darum bedarf die Kunst noch mehr der V o r b i l d e r als die

Wissenschaft, und darum müßte in der Kunsterziehung noch mehr

als sonst das Meister-Jünger-Verhältnis vorherrschen. Voraussetzung

dafür ist allerdings, daß echte Meister da sind. Wo sind die aber

heute?

Hier sehe ich leider sehr trübe und kaum eine Hoffnung auf Bes-

serung. Moderne Baukunst, Wolkenkratzer und so fort, moderne

Malerei, Musik, bieten nur den Anblick des Unholdischen oder Un-

zulänglichen. Ähnlich sogar in der Dichtkunst, wenn es auch da im-

merhin noch besser steht.

Wenn schon Wissenschaft ohne Eingebung, ohne Tugend nicht

möglich ist, um wieviel mehr gilt das von der Kunst. Kunst ist

G e s t a l t e n des in der Eingebung Erlangten (Wissenschaft, wie

gezeigt, dessen Erfassung als Gegenstand — im Begriff). Zur großen

Eingebung, die künstlerisch dargestellt werden soll, gehört aber die

große Persönlichkeit, gehört auch metaphysische Verwurzelung und

gehört endlich hohe Bildung. Heute kann man nur sagen, daß es vor

allem an den objektiven Bedingungen dafür mangelt. Denn die

Überlieferung, in welche eingegliedert, zu der erzogen werden soll,

ist nun einmal abgerissen.

Es ist schwer zu sagen, wo der Faden zerrissen ist. Die Renais-

sance ist der erste Schritt zur Verweltlichung und Aushöhlung der