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Scheidung (Individualismus oder Universalismus) überhaupt keinen
realen Sinn. Man g e h t n ä m l i c h w e d e r v o m I n d i v i d u u m
n o c h v o n d e r G e m e i n s c h a f t a u s , u n d k a n n weder
vom einen noch vom andern ausgehen. Zwar nimmt z. B. die historische
Betrachtungsweise
mehr
auf
die
Gesamtbedingtheit,
die
G e s a m t z u s a m m e n h ä n g e der Erscheinungen, das „Ganze“
Rücksicht,
die
theoretische
mehr
auf
die
„reinen“
T e i l z u s a m m e n h ä n g e , das Elementare; aber: a u c h d i e
l e t z t e r e g e h t d a b e i n i c h t v o m I n d i v i d u u m a l s
s o l c h e m a u s , s o n d e r n v o n Z u s a m m e n h ä n g e n
(Zusammenballungen, Verkettungen, das ist: f u n k t i o n e l l e n
G e b i l d e n ! ) i m H a n d e l n und zwar entweder des Individuums
für sich oder in dessen Zusammenwirken mit anderen, a l s o i m m e r
v o n G e b i l d e n —Komplexen, sozusagen kleinen Gemeinschaften—
und aus diesem Grunde ist es nichts prinzipiell Verschiedenes, diese
Gebilde innerhalb des rein individuellen Handelns (des monogenetischen
Gebietes, wie ich es genannt habe), oder des zusammenwirkenden
Handelns (des polygenetischen Gebietes) zu betrachten. Von
„individuellen“ oder „sozialen“ Ausgangspunkten zu sprechen, ist daher in
der theoretischen nationalökonomischen Betrachtung eine ungenaue
Redeweise, welcher schon sozialphilosophische oder politische Elemente
beigemischt sind. In diesem strengen Sinne kann man also auch nicht von
einem „methodologischen Individualismus“ in der theoretischen
Nationalökonomie sprechen, weil die Begriffe „Individualismus“ oder
„Universalismus“ hier überhaupt keinen Boden haben. Hier kann nur die
Frage, ob von den einfacheren (und reineren) Teilzusammenhängen oder
Gebilden — das sind vor allem, a b e r n i c h t a l l e i n , die
monogenetischen Gebilde — oder den komplizierteren (das sind vor allem
die polygenetischen) Gebilden auszugehen sei, beziehungsweise in
welchem Maße sie überhaupt zu berücksichtigen und zu erforschen sind,
einen Sinn haben. Wenn aber Schumpeter meint, daß die Erforschung der
höchsten (polygenetischen) Gebilde gleichgültig sei
1
, beziehungsweise daß
dies schon eine politische (oder sozialphilosophische) Bedeutung habe, so
irrt er, das sind rein sachliche Fragen
1
Zum Beispiel: „Was die Volkswirtschaft nämlich ist, und ob das Individuum die
treibende Kraft sei, oder eine solche anderswo gesucht werden müsse, ist belanglos für uns.“
— Joseph Schumpeter: a. a. O., S. 93, vgl. S. 92 ff.