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solches Vorgehen nur im Hinblick auf die theoretische Leidenschaft

zur Sache, unter Hintansetzung des augenblicklichen und äußerlichen

Vorteiles; die deutschen Ingenieure werden dabei Mathematiker und

Physiker. Dadurch ist die deutsche Qualitätsindustrie (man denke

z. B. an Präzisionswerkzeuge, optische Geräte) entstanden. S e l b s t

i m M a t e r i e l l s t e n f i n d e n w i r s o d e n d e u t s c h e n

G r u n d z u g w i e d e r : E r n s t , G r ü b e l n , S y s t e m ! So

kommen die höchsten Leistungen wie von selbst zustande. Deutsch-

land baut die durchdachtesten Maschinen — die praktischesten wer-

den dagegen wohl in Amerika gebaut; aber Deutschland hat eben die

„theoretischesten“, die wissenschaftlichsten Maschinen, ich möchte

sagen, solche, die am meisten gefrorener Geist sind, und die so am

reinsten das Wesen der Maschinen abspiegeln. Denn Maschine ist

gefrorener Geist! Auch im Ganzen ist es unbestreitbar: Die deutsche

Volkswirtschaft ist jene mit den durchdachtesten, am planvollsten

organisierten Betrieben. — Noch ein anderes Beispiel. Als Deutsch-

land, etwa um das Jahr 1905 herum, das Kolonialwesen mächtig för-

dern wollte, begann es damit — eine Kolonialhochschule in Hamburg

zu gründen! Darüber erscholl ein homerisches Gelächter bei den

Engländern und durch die ganze Weltpresse hindurch: „Mit Schulen

will man Kolonien machen? Der Handel muß selbst den Anfang

machen, mit dem Kaufmann muß man das Kolonialgeschäft be-

gründen!“ Die Deutschen aber gründeten zuerst eine Schule, um sich

über alles zu unterrichten. Nimmt sich das nicht, mit englischen

Augen gesehen, fast wie ein Schwabenstreich aus? Solche Vorberei-

tungen können uns dann vielleicht an der eigentlichen Tat hindern;

oft tun denn auch andere Völker die Taten unserer Gedanken. Aber

w i e wir unsere Tat tun, das steht dann doch auf vergeistigter Stufe,

das spiegelt die Natur des deutschen Geistes. Wir sind mehr ein Volk

des Gedankens als der Tat, hörten wir Meister Eichendorff sagen.

Aber diese Nation, so erkennt er, hat doch die Geschichte gemacht,

das heißt, sie tut eigentlich am meisten. Die deutsche Mystik des

Mittelalters und die Reformation haben das Leben der gesamten

Christenheit neu gestaltet, denn auch die Neuordnung des katholi-

schen Glaubens und die Gegenreformation ist mittelbar ihr Werk.

Deutsches Tun, so können wir auch sagen, deutsches Tun ist ein

Tun, das aus Hingabe an den Gegenstand, aus Versenkung in sein

Eigentümliches erfolgen will. Diese Erkenntnis ist es, die Richard