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vertraglichen Gebilden, die er „Gesellschaften“ nennt (z. B. Aktien-

gesellschaft), nur wenig zu mildern

1

.

S i m m e l hat sich meines Wissens über die Klasse nicht zusam-

menhängend geäußert, doch ist ihm „sozialer Kreis“, „soziale

Gruppe“ grundsätzlich dadurch gegeben, daß der Einzelne zum Ein-

zelnen ein geistiges „Band spinnt“

2

, wodurch die atomistische Ein-

stellung gegeben ist. Uber den rohen Klassenbegriff marxistischer

Art hat sich aber Simmel durch Betonung des Geistigen neben dem,

allerdings selbständigen Wirtschaftlichen

3

, erhoben.

V i e r k a n d t sieht im Besitz das Wesen der Klasse

4

, den ge-

schichtlichen Ursprung aber vornehmlich in der Eroberung

5

.

Das gleiche Bild wie die Gesellschaftslehre zeigt die Volkswirt-

schaftslehre.

S c h m o l l e r

6

versteht unter Klassen gesellschaftliche Grup-

pen, „die sich nicht nach Blut, Geschlecht, Verwandtschaft, nicht

nach Religion, nicht nach Orts-, Kreis-, Provinzial- und Staats-

zusammengehörigkeit bilden, sondern die durch gleiche oder ähn-

liche Eigenschaften und Lebensbedingungen, durch gleiche oder

ähnliche Berufs- und Arbeitstätigkeit, durch gleiche oder ähnliche

Besitzart und Besitzgröße, durch gleiche oder ähnliche Art der Ein-

fügung in die Ordnung der Volkswirtschaft und des Staates, durch

gleichen oder ähnlichen Rang in der hierarchischen Gesellschafts-

ordnung, durch gleiche oder ähnliche Interessen aller Art ein Be-

wußtsein der Zusammengehörigkeit haben und dem Ausdruck ge-

ben“. Die sozialen Klassen „sind hauptsächlich eine Folge der ge-

sellschaftlichen Differenzierung nach Beruf und Besitz. Ihre massen-

psychologische Entstehung beruht auf der Spaltung der gemein-

samen Gefühle, Vorstellungen, Interessen in Sondergefühle, -vor-

1

Ferdinand Tönnies: Gemeinschaft und Gesellschaft (1887), 2. Aufl., Berlin

1912, S. 97 ff.; siehe auch oben S. 88.

2

Georg Simmel: Soziologie, Untersuchungen über die Formen der Vergesell-

schaftung, Leipzig 1908, S. 403 ff. und öfter.

3

Georg Simmel: Soziologie, Untersuchungen über die Formen der Vergesell-

schaftung, Leipzig 1908, S. 436 ff.

4

Alfred Vierkandt: Staat und Gesellschaft in der Gegenwart, 2. Aufl., Leip-

zig 1921, S. 57.

5

Alfred Vierkandt: Staat und Gesellschaft in der Gegenwart, 2. Aufl., Leip-

zig 1921, S. 14 ff. und 60.

6

Gustav Schmoller: Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, 2 Teile,

zuletzt Leipzig 1923.