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ländischen Bildung eroberten. Voran steht hier A d a m M ü l l e r ,

welcher die Stände als eine „Teilung nicht der Massen wohl aber der

Naturen“

1

begriff, worin er mit Platon übereinkommt (das Geistige

als Grund der Klasse). Müller unterschied, statt der platonisch-mittel-

alterlichen drei, nunmehr vier Stände, indem er der Dreizahl: Geist-

lichkeit, Adel, Bürger den Verkehrsstand (= Handel) als den ver-

mittelnden hinzufügte

2

.

Am schärfsten ist Adam Müller in der Ablehnung der indivi-

dualistischen Klassenentwicklung. Wir lassen Adam Müllers Kritik

des Kapitalismus ausführlicher folgen, um zu zeigen, wie überlegen

ein Standpunkt ist, der die E i n h e i t d e r S t ä n d e (auf Grund

der geistigen Einheit der Gesellschaft) als Grundgedanken hat, gegen-

über dem Standpunkt, der die rein atomisierte, das heißt k l a s -

s e n l o s e G e s e l l s c h a f t als Ideal erstrebt.

In den „ E l e m e n t e n d e r S t a a t s k u n s t “ , 1809

3

, sagt er: „Vom

Standpunkte des physischen Kapitals aus zeigen sich Land und Arbeit . . . gerade

so, wie er [nämlich Adam Smith] sie dargestellt: da steht das Land nur der

physischen Kapitalisierung bei; da gibt sich die Arbeit durch ihre Teilungsfähig-

keit nur der Anwendung des Kapitals hin. Aber da es ein anderes geistiges

Kapital gibt, welches [zwar] im einzelnen und im ganzen sich verhüllen, ver-

drängen und beengen läßt durch Römische Gesetze, allgemeines Modestreben

nach Gold und Indien, welches sich aber über kurz oder lang an seinen Ver-

ächtern unfehlbar rächt, welches, wenn es hervordringt, die unterdrückte Natur

und den unterdrückten, mechanisierten Arbeiter wieder befreiet, und dem

ganzen ökonomischen Leben und dem Werte aller Dinge eine andere Gestalt

gibt: so ist das bestimmte System des Adam Smith ein vergängliches.“ Später,

1820, schreibt er in der „ I n n e r e n S t a a t s h a u s h a l t u n g s y s t e m a -

t i s c h d a r g e s t e l l t a u f t h e o l o g i s c h e r G r u n d l a g e “

4

: „Man

hat die Bemerkung gemacht, daß sich England. . . der Natur eines Bienenstaates

annähere und so wie dieser in ein taxenzahlendes Arbeitsvolk und in ein an-

deres mäßiges Kapitalisten- und Rentenierervolk zerfalle, für welches letztere

der größte Teil der Taxen erhoben werde. Diese in hohem Grade wahre Be-

merkung würde in die Sprache unseres gegenwärtigen Werkes übersetzt also

lauten: die beiden Gestalten, unter denen jeder einzelne Bürger erscheinen soll,

als Haupt eines Staates oder Kapital und als Glied eines Staates oder Arbeiter,

haben sich in England. . . voneinander getrennt und stellen sich in einem ge-

1

Adam Müller: Die Elemente der Staatskunst, herausgegeben von Jakob

Baxa, Bd 1, Jena 1922, S. 190 (= Die Herdflamme, Bd 1).

2

Adam Müller: Die Elemente der Staatskunst, Bd 1, a. a. O., S. 120 ff. und

öfter.

3

Adam Müller: Die Elemente der Staatskunst, Bd 2, a. a. O., S. 57 f.

4

Adam Müller: Die innere Staatshaushaltung systematisch dargestellt auf

theologischer Grundlage, Wien 1820, abgedruckt in: Adam Müllers gesammelte

Schriften, München 1839, S. 275 ff.