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schaft“ fußt („Gemeinschaft“ = naturgewachsene Verbände, z. B. Familie; „Ge-

sellschaft“ = vertragliche Verbände, z. B. Aktiengesellschaft); eine Einteilung,

die im Grunde die individualistische Wesenheit gesellschaftlicher Vorgänge ge-

schichtlich und begrifflich für ebenso wirklich hält wie universalistische, weil

sie fälschlich den Unterschied von Individualismus und Universalismus im po-

litischen Ideal und in der Weltanschauung sieht statt in der Realität, in der

Wesenheit des Gesellschaftsbaues selbst

1

. So ist es verständlich, daß Sombart

trotz seiner Einsicht in die organische Natur des Standes die Klassen — ganz

in Marxischer Weise — als Wirtschaftsgruppen, als Gruppen, „die ihrer Idee

nach ein bestimmtes Wirtschaftssystem vertreten“, bezeichnet

2

. Er unterscheidet

demnach auch im engsten Anschluß an Engels vier solcher Klassen: Feudalaristo-

kratie, Kleinbürgertum, Bourgeoisie, Proletariat

3

.

Diesen vereinzelten Ausnahmen gegenüber ist dagegen die gesamte

moderne Soziologie und Volkswirtschaftslehre von dem individuali-

stischen Klassenbegriff und zwar durchaus im marxistischen Geiste

befangen. Die nachfolgenden Beispiele von Lorenz von Stein an, der

vor Marx den individualistisch-materialistischen Klassenbegriff ent-

wickelt, bis zu Max Weber, mögen dies verdeutlichen

4

.

L o r e n z v o n S t e i n

5

faßte den Staat trotz seines Hegeltums indi-

vidualistisch auf (atomistisch, Gleichheit als Baugesetz), die „Gesellschaft“ dagegen

gegliedert, und zwar in eine herrschende und eine abhängige Klasse

6

. Das gesamte

menschliche Gemeinwesen ist ihm wirtschaftlich bestimmt als „Ordnung der Ab-

hängigkeit derer, welche nicht besitzen, von denen, welche besitzen“

7

. Dem-

gemäß der Klassenbegriff: „Jede Abhängigkeit der einen Klasse von der anderen

beruht auf dem Besitze“

8

. Die Revolution hat einen „materiellen Grund“

9

. Ka-

pitalbesitz ist das Kriterium des Klassenunterschiedes. „Die Klasse der Be-

sitzenden ist diejenige, welche das e r w e r b e n d e K a p i t a l besitzt; die

1

Ober Ferdinand Tönnies siehe noch unten S. 89 f.

2

Werner Sombart: Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrhundert,

7. Aufl., Jena 1919, S. 1.

3

Werner Sombart: Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrhundert,

7. Aufl., Jena 1919, S. 2 ff.; Das Proletariat, Frankfurt/Main 1906.

4

Auf die französischen Vorgänger F r a n ç o i s G u i z o t , V i n c e n t

M i g n e t , C l a u d e H e n r y d e S a i n t - S i m o n , L o u i s B l a n c , aus

denen besonders auch Karl Marx schöpfte, gehe ich dabei nicht ein.

5

Lorenz von Stein: Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich, Bd 1:

Der Begriff der Gesellschaft und die soziale Geschichte der Französischen Revo-

lution bis zum Jahre 1830, Leipzig 1850, hier angeführt nach dem Neudruck München 1921.

6

Lorenz von Stein: Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich, Bd 1,

München 1921, S. 46 ff.

7

Lorenz von Stein: Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich, Bd 1,

München 1921, S. 24.

8

Lorenz von Stein: Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich, Bd 1,

München 1921, S. 57.

9

Lorenz von Stein: Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich, Bd 1,

München 1921, S. 99.