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wickeln“.
1
Die Nationalökonomie verschafft uns somit „ d a s V e r -
s t ä n d n i s e i n e r b e s o n d e r e n . . . S e i t e d e s M e n -
s c h e n l e b e n s . . ., während das Verständnis der übrigen Seiten
desselben nur durch andere Theorien erreicht werden könnte, welche
uns die Gestaltungen des Menschenlebens unter dem Gesichtspunkte
der übrigen Tendenzen desselben zum Bewußtsein bringen würden
(z. B. unter dem Gesichtspunkte des Gemeinsinnes, des strengen
Waltens der Rechtsidee und so fort)“
2
.
Dieser e x a k t e n Theorie der Nationalökonomie steht nach
Menger die empirisch-realistische zur Seite, welcher die Beobachtung
und Beschreibung der konkreten Erscheinungen und die Aufsuchung
von Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten derselben zukommt.
Die Gesetze, die sie zu finden vermag, sind keine strengen, sondern
haben nur empirische Gültigkeit
3
.
Während, wie wir früher sahen, bei der historischen Schule die
Problemstellung zuweilen sogar dahin schwankte, ob es sich bei dem
Begriffe der Volkswirtschaft nicht überhaupt um eine unerlaubte
Abstraktion handle, oder während sie zum mindesten das Problem
des grundsätzlichen Verhältnisses von Wirtschaft und Gesellschaft
über der allgemeinen Tendenz, der vollen empirischen Wirklichkeit
gerecht zu werden, aus dem Auge verlor, entwickelte Menger mit
durchdringender Klarheit, wie es sich gegenüber der Erforschung des
Sozialen um eine Mehrheit von Teil-Theorien handle, welche als
Ganzes die soziale Wirklichkeit erst erschöpfen können, wie es sich
sonach auch um eine Summe von gesellschaftlichen Teilinhalten
handle.
Hiermit hat Menger die prinzipiellen erkenntnistheoretischen
Voraussetzungen der Differenzierung der sozialwissenschaftlichen
Erkenntnis in eine Mehrheit von Disziplinen klargelegt. Als das, was
fehlt, muß die ergänzende Forderung einer Zusammenfassung, einer
Integration jener Disziplinen bezeichnet werden: In welchem Sinne
ist es möglich, daß eine Anzahl von Sozialtheorien nebeneinander
1
Carl Menger: Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften,
a. a. O., S. 45.
2
Carl Menger: Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften,
a. a. O., S. 79.
3
Carl Menger: Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften,
a. a. O., S. 31 ff., 93 ff. und öfter.
3*