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dieselbe von der großen Menschheitsgruppe nach einem gewissen System gemein-
schaftlich vorgenommen wird, die Volkswirtschaft.“
1
In der Tatsache des Zusam-
menwirkens, der Gemeinschaftlichkeit der Kräfte in der Volkswirtschaft, liegt
schon prinzipiell das Phänomen der „Gesellschaft“ (in einem engeren Sinne, nicht
im Sinne von Gemeinschaftsleben überhaupt) beschlossen: die seelischen Verbin-
dungen und Abhängigkeiten der Menschen. Blutsverwandschaftliche Zusammen-
gehörigkeit und Verbindung der Geschlechter sind die weiteren Grundursachen
dieses Phänomens
2
. „Aber auch dieser gesellschaftliche Zustand. . . reicht. . . nicht
hin, um das Zusammenleben der Menschen zu seiner vollen Entwicklung kommen
zu lassen. . . Zwei Momente sind es hauptsächlich, welche . . . eine neue Orga-
nisationsform . . . notwendig bedingen . . . Erstens die wachsende Zahl der durch
die Blutsverwandtschaft entstandenen und zusammengehaltenen Menschengruppe
und zweitens das mit der Entwicklung der Volkswirtschaft erfolgende Auftreten
großer, allgemeiner Zwecke, sowie das zunehmende Bewußtsein aller von der
Gemeinsamkeit dieser Zwecke."
3
Diese Organisationsform ist der Staat.
Mit dieser, alle Hegelsche Dialektik vermeidenden Begründung,
hat Karl Dietzel indessen an den ursprünglichen dialektischen Er-
g e b n i s s e n nichts geändert. Es gelten daher hier prinzipiell die-
selben Einwände, die wir später gegen Steins ganze Lehre entwickeln
werden. — Im Hinblick auf Karl Dietzels Einzeluntersuchungen,
auf die wir nicht eingehen können, darf indessen die große Entschie-
denheit, mit der er eine einheitliche und zusammenfassende Be-
handlung erstrebt, hervorgehoben werden. Faktisch konnten auch
diese allerdings nicht besonders fruchtbar werden, obwohl haupt-
sächlich wegen der zu großen, dem komplizierten Aufbau der so-
zialen Wirklichkeit weitaus nicht gerecht werdenden Einfachheit, der
zugrunde liegenden Zerlegung in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat.
II. Die Problemstellung in den Staatswissenschaften und der
Völkerpsychologie
Es genügt, im Nachfolgenden ganz kurz und exemplifikatorisch
darzutun, wie die Problematisation in den Staatswissenschaften und
den übrigen Disziplinen beschaffen war.
1
Karl Dietzel: Die Volkswirtschaft und ihr Verhältnis zu Staat und Gesell-
schaft, Frankfurt am Main 1864, S. 35; vgl. auch Kapitel VI, Das Zusammen-
leben und seine Gestaltungen.
2
Karl Dietzel: Die Volkswirtschaft und ihr Verhältnis zu Staat und Gesell-
schaft, Frankfurt am Main 1864, S. 83 ff.
3
Karl Dietzel: Die Volkswirtschaft und ihr Verhältnis zu Staat und Gesell-
schaft, Frankfurt am Main 1864, S. 93.