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D i e t z e l . Gottl, der von erkenntnistheoretischen Gesichtspunk-
ten ausgeht, wird unten noch zusammenhängend behandelt wer-
den. Karl Dietzels Ansichten gliedern sich ganz an die von Lorenz
von Stein an; da dieser später eingehend behandelt wird, genüge
über jenen hier eine kurze Andeutung.
K a r l D i e t z e l will in seinen Untersuchungen „Die Volkswirt-
schaft und ihr Verhältnis zu Staat und Gesellschaft“ (Frankfurt am
Main 1864) geradezu einen Beitrag liefern „zu einer wissenschaft-
lichen Neubegründung der Volkswirtschaftslehre“ — und zu diesem
Zwecke „das Verhältnis der Volkswirtschaft zu den gesellschaft-
lichen Zuständen und zum Staate in organischer Weise... ent-
wickeln . . ."
1
Denn „diese drei Grundformen des menschlichen Zu-
sammenlebens ... gehen aus den gegebenen Verhältnissen des
menschlichen Daseins mit Notwendigkeit hervor, sind daher gleich-
zeitig vorhanden und durchdringen und beeinflussen sich wechsel-
seitig. Auch die Volkswirtschaft kann daher ... nur im Zusammen-
hang mit denselben vollständig begriffen werden“
2
. — Hiermit wird
also die grundsätzliche Bedeutung des Problems in völlig richtiger
Weise bezeichnet. —Wie aber wird das Problem selbst entwickelt?
Karl Dietzels Versuch ist im wesentlichen eine Ausführung des
von Lorenz von Stein und Robert von Mohl entwickelten Pro-
gramms, dessen Aufbau ein durchaus d i a l e k t i s c h e r ist, wie
wir später noch sehen werden. Demnach war sich Karl Dietzel der
e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e n Voraussetzungen, wie wir sie
bei Menger kennen lernten, nicht bewußt; hingegen hat er die nach-
trägliche Begründung doch ohne jede Dialektik „aus den letzten
Gründen des menschlichen Daseins“, also auf eine mehr g e n e -
t i s c h e Weise durchzuführen gesucht. Seine Deduktion ist fol-
gende:
Aus dem einfachen Grundverhältnis, daß der Mensch mit allen seinen Bedürf-
nissen und Bestrebungen von der Sinnenwelt abhängig ist, folgt die Kategorie
der Wirtschaft beziehungsweise Volkswirtschaft. Seine Definition der Volkswirt-
schaft ist: „(Die) menschliche Tätigkeit zur Schaffung der äußeren Bedingungen
des Daseins und zur Verfolgung sämtlicher Lebenszwecke nennen wir.. ., wenn
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Karl Dietzel: Die Volkswirtschaft und ihr Verhältnis zu Staat und Gesell-
schaft, Frankfurt am Main 1864, S. VI.
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Karl Dietzel: Die Volkswirtschaft und ihr Verhältnis zu Staat und Gesell-
schaft, Frankfurt am Main 1864, S. VI.