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Wirklichkeit niemals rein vorkommt, die Theorien dieser Teil-
phänomene mögen daher immerhin ohne grundsätzliche Beziehun-
gen zueinander sein (obwohl auch dies nur in bedingtem Sinne zu-
trifft, wie z. B. die Bestrebungen einer physikalischen Chemie be-
weisen). Die sozialen Teilphänomene aber dürfen nicht im gleichen
absoluten Sinne b e z i e h u n g s l o s als Isoliertes behandelt wer-
den, weil sie dann eben die Eigenschaft, Teile zu sein, und als solche
eine spezifische Funktion im Ganzen der Gesellschaft zu haben, ver-
lieren würden.
Mengers Fehler beruht sonach nicht auf einer Nichtbeachtung des
Problems der Verhältnisbestimmung der gesellschaftlichen Teil-
inhalte zueinander, sondern auf einer unzulänglichen Lösung des-
selben. Gemäß seiner Nebeneinanderstellung der einzelnen Sozial-
theorien hat er denn auch die sozialen Phänomene der Wirtschaft,
Sprache und Religion, des Staates und des Rechtes als koordinierte
nebeneinander gestellt. Daß aber diese einfache Koordination den
Anforderungen an das System der sozialen Wissenschaften nicht
genügt, scheint uns klar ersichtlich. Es sind tief gehende i n n e r e
S t r u k t u r v e r s c h i e d e n h e i t e n , welche die genannten Er-
scheinungskreise voneinander trennen und ihre Gliederung in ein
kompliziertes h i e r a r c h i s c h e s System erheischen und dem-
gemäß auch nur in ganz verschiedenem Maße und Sinne eine sozial-
wissenschaftliche Behandlung zulassen. Wir werden noch mehrfach
Gelegenheit haben, diese Notwendigkeit näher zu untersuchen
1
. —
1
Trotzdem möge folgende kurze Erläuterung und Begründung hier noch
Platz finden.
Gerade aus Mengers so klaren und tiefdringenden Analysen der Entstehung
des Geldes und des Rechtes läßt sich deutlich demonstrieren, wie es sich bei die-
sen Institutionen um Phänomene von ganz verschiedener Struktur handelt. Wäh-
rend nämlich die individuellen Tätigkeiten, aus denen die Institution „Geld“
resultiert, auf einem seiner Natur nach selbständigen Zweck ruhen (nämlich der
Kreis von Bedürfnissen, der dem „Wirtschaften“ zugrunde liegt), ist dies beim
Rechte — diesem „Inbegriff von Regeln“, welche „die individuelle Willkür der
Volksglieder“ beschränken, aber doch dem Schutze des i n d i v i d u e l l e n In-
teresses dienen, nicht der Reflexion auf das G e m e i n wohl entspringen (vgl.
Carl Mengen Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften, a. a. O.,
S. 274 ff.) — n i c h t der Fall; das „Recht“ ruht nicht auf einem selbständigen,
primären Bestandteile der Menschennatur, sondern ist von abhängiger, sekun-
därer Bedingtheit. „Rechtsbewußtsein“, das als primär bedingend angesprochen
werden könnte (und von Menger an andrer Stelle [S. 79] tatsächlich angesprochen