38
Hier muß nur noch angemerkt werden, daß Menger selbst eine be-
deutungsvolle Unterscheidung der gesellschaftlichen Erscheinungen
von diesem Gesichtspunkte aus vorgenommen hat, nämlich die Un-
terscheidung von Sozialgebilden, die unreflektiert entstanden sind,
und solchen, die auf bewußter Übereinkunft beruhen
1
, und hieraus
auch wichtige methodologische Konsequenzen ableitet (nämlich die
Unterscheidung einer pragmatischen und einer theoretischen Be-
handlung); hiermit geht Menger in der Tat auf eine prinzipielle
Verhältnisbestimmung des Wirtschaftlichen zu den übrigen gesell-
schaftlichen Erscheinungen ein. Indessen behandelt er nicht das Pro-
blem faktisch dahin, daß alle sozialen Teilinhalte auf „Äußerungen
der ursprünglichsten und allgemeinsten Kräfte und Triebe der Men-
schennatur“ zurückzuführen seien, und hiernach auf diese Unter-
suchung der Strukturverhältnisse eine prinzipielle Verhältnisbestim-
mung der gesellschaftlichen Erscheinungen zueinander zu gründen
wäre. Unseres Erachtens aber liegt hier nicht nur das Problem eines
Systems der sozialen Wissenschaften überhaupt, sondern auch der
Weg, wie die Brücke von der exakten theoretischen Forschung zur
Einordnung ihrer Wahrheiten in das Ganze der sozialen Erkennt-
nis zu schlagen wäre. Dies werden wir in der Folge noch näher zu
begründen haben.
Von nationalökonomischen Autoren verblieben nun noch
F r i e d r i c h v o n G o t t l - O t t l i l i e n f e l d u n d K a r l
wird), ist offenbar erst etwas Hinzugekommenes; die ursprünglichen Regeln
gründen sich auf Zweckmäßigkeiten für die Individuen, die aus a n d e r -
w e i t i g e m Handeln, aus a n d e r e n Erfordernissen erfließen, mithin nicht
aus einer einzigen und ursprünglichen Quelle kommen, wie die wirtschaft-
lichen Handlungen, das heißt nicht auf eine p r i n z i p i e l l e Z i e l s e t z u n g
d e s I n d i v i d u u m s s e l b s t gegründet sind wie diese. Menger behält
aber diesen grundsätzlichen Unterschied nicht im Auge (— trotzdem er ihn
eigentlich selbst feststellt, indem er darlegt, wie das Recht nicht Selbstzweck
sei [„Untersuchungen“, S. 280 f., Anmerkung] —); vielmehr konzentriert
er sich ganz auf die allgemeine Unterscheidung, ob es sich um Erscheinungen
handle, die unreflektierte Resultanten individueller Bestrebungen sind oder
nicht — ein Kriterium, das, so wertvoll es sonst ist, noch nichts über die
strukturellen Unterschiede sagt und daher die Aufgabe der prinzipiellen Ver-
hältnisbestimmung der Teilinhalte (innerhalb der unterscheidenden Klasse) offen
läßt.
1
Vgl. darüber insbesondere Carl Menger: Untersuchungen über die Methode
der Sozialwissenschaften und der politischen Oekonomie insbesondere, Leipzig
1883, 3. Buch, II. Kapitel, besonders die Paragraphen 2 und 3.