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h e r r s c h e n d e Stellung unter den wirtschaftlichen Motiven ein-

nimmt.

Dieser Motivationslehre gegenüber muß grundsätzlich das gleiche

gelten wie von der Wagners, mag sie auch im einzelnen besser fun-

diert sein als jene

1

.

Da die Vielheit der Motive eine Deduktion im strengen Sinne

nicht zuläßt, andrerseits aber mit der Einführung von Motiven auf

die Deduktion grundsätzlich nicht verzichtet werden soll, so muß

jeder Versuch einer Grundlegung der theoretischen Nationalökono-

mie auf dem Wege einer psychologischen Theorie der Motive des

1

Dies gilt auch gegenüber allen anderen ähnlichen Versuchen. Indessen haben

eine eingehende Motivationslehre nur Wagner und Schmoller entwickelt. (Für

die Soziologie noch L e s t e r F . W a r d : Outlines of Sociology, New York

1898, S. 43, 95, 147 f., und öfter.) Eine Mehrheit von Motiven ist aber von allen

Vertretern der realistischen Richtung angenommen worden. So hat S c h ä f f l e

drei Triebfedern des wirtschaftlichen Handelns unterschieden: Notdurft, Streben

nach bevorzugtem Dasein, Gemeinsinn. (Vgl. Albert Schäffle: Bau und Leben

des sozialen Körpers, 2. Aufl., Tübingen 1896, Bd 1, S. 393 ff., Bd 2, S. 267 f.)

Daß R o s c h e r zwei Motive, Eigennutz und Gemeinsinn angenommen hat,

haben wir schon oben hervorgehoben. Von K n i e s ist zu erwähnen, daß er

entsprechend seinem Begriffe der einheitlichen Persönlichkeit, nur Einen Grund-

trieb, die „ S e l b s t l i e b e “ , kennt. „Diese . .. enthält in ihrem Begriffe kei-

nen Widerspruch gegen die Liebe . . . zum Nächsten ...“ „Selbstsucht“ oder

Eigennutz hingegen enthalte diesen Widerspruch; dies sei aber eine Ausartung.

„Es ist deshalb die Zusammenstellung der Selbstliebe und der Selbstsucht, sofern

damit dieselbe Wurzel für den Eigennutz bezeichnet werden soll, durchaus un-

berechtigt. Die Selbstliebe ist eine normale und sittliche Erscheinung in allen

Menschen; die Selbstsucht ist nur Charaktereigentümlichkeit einzelner, ist ein

Abnormes in der menschlichen Natur . . .“ (Karl Knies: Die politische Ökonomie

vom geschichtlichen Standpunkte, Braunschweig 1883, S. 236 f.) Knies leugnet

also, daß normalerweise verschiedenartige Motive dem wirtschaftlichen Handeln

zugrunde liegen; die Selbstliebe ist eine einfache einheitliche Äußerung des Trie-

bes zur Selbsterhaltung. Vgl. auch Max Weber: Roscher und Knies und die logi-

schen Probleme der Nationalökonomie, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzge-

bung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, Jg 27, Leipzig 1903.

Bei Weber findet sich zum erstenmal diese Sonderstellung Kniesens von den

übrigen Historikern betont. Zum Beispiel wird von Schmoller (Grundriß der

allgemeinen Volkswirtschaftslehre, a. a. O., S. 33 und öfter) Knies mit Roscher

und Hermann zusammen genannt, wenn es sich um eine Polemik gegen die

einfache Unterscheidung eines eigennützigen und gemeinnützigen Motivs handelt.

Knies selbst indessen wendet sich sehr entschieden gegen die Einführung

mehrerer Motive. Auf diese seine sehr interessante, insbesondere gegen Roscher

gerichtete Polemik können wir hier nicht mehr eingehen. Vgl. Karl Knies: Die

politische Ökonomie vom geschichtlichen Standpunkte, Braunschweig 1883, S. 235.

Schließlich ist noch E u g e n S c h w i e d l a n d (Die psychologischen Grund-

lagen der Wirtschaft, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft, Leipzig 1905) zu nen-