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dieser Lehre (mit Recht) zu überprüfen findet, als ihr tiefer Sinn bleibt be-

stehen, daß das Übersinnliche, die Gottheit selbst es ist, was als „Religion" im

Menschen gegenwärtig wirkt. Wie auch M e i s t e r E c k e h a r t sagt: „Es ist zu

wissen, daß das Eines ist nach den Dingen: Gott erkennen und von Gott er-

kannt zu sein .. .“

1

Allen christlichen Lehrern ist die christliche Religion ein Inbegriff übernatür-

licher Wahrheiten

2

.

Für die universalistische Religionssoziologie ist die Erkenntnis

entscheidend, daß ein Funken echter Religiosität in jeder, auch der

entartetsten Religion wohnt, soll das Religiöse in den niederen

Religionen erkennbar, sollen die niederen Religionen überhaupt als

Religionen angeschaut werden.

Während die empiristisch-individualistische Auffassung in der Re-

ligion nur subjektive Wunschgebilde geschichtlich und psychologisch

wechselnder Art sieht, zeigt die gegebene Übersicht als das Wesent-

liche der universalistisch-idealistischen Auffassung: daß sie im Reli-

giösen eine arteigene, eine ursprüngliche Wesensseite des subjekti-

ven Geistes sowohl, wie der objektiven Kultur erkennt, und zwar

begriffsgemäß die tiefste, die beherrschende Wesensseite

3

, ähnlich

wie etwa im Logischen, im Schönen, im Guten arteigene Bestand-

teile des Geistes gegeben sind.

Diese Ursprünglichkeit kann nun vom Standpunkte eines subjek-

tiven oder objektiven Idealismus aus verstanden werden. Vom er-

steren, dem auf Kant eingestellten Standpunkte aus, heißt das: Das

Religiöse in unserem Bewußtsein ist ein eigenes A p r i o r i , ist

vorempirischen, überempirischen Ursprungs (wie Immanuel Her-

mann Fichte es ausdrückte), ist damit Normierendes, ist ordo

ordinans, wie jedes Apriori sein muß. Treffend hat Rudolf Otto,

der mit Ernst T r o e l t s c h und anderen diese Ansicht des Reli-

giösen als eines „Apriori" teilt, es ausgedrückt: „Religion geht

nicht zu Lehen, weder beim Telos noch beim Ethos.“ „Religion

1

Meister Eckehart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, anastatischer Neudruck

der Ausgabe von 1857, Göttingen 1906, Kapitel VII, S. 38, Zeile 12 ff.

2

Vgl. z. B. Matthias Joseph Scheeben: Die Mysterien des Christentums, Nach

Wesen, Bedeutung und Zusammenhang zusammengestellt, 3. Aufl., Freiburg im

Breisgau 1911, S. 628, 640 ff. und öfter.

3

Daß der Begriff, das reine Wesen der Sache in Geschichte und Leben nicht

vollkommen erreicht wird, dort vielmehr Unvollkommenes und Entartetes auf-

tritt.