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und Gestalt in ihrem Verhältnisse untereinander, und zwar aus
ihrer Begründung durch die Ganzheit erklären.
X.
Der Geist als letzter Grund aller Krankheiten
Ist es der Geist, der sich mit dem Immateriellen der Materie
verbindet, so folgt daraus, daß der Geist, wie zuletzt der alleinige
Urheber des organischen Lebens, so auch der letzte Grund aller
Krankheiten sei — allerdings mit Ausnahme der durch äußere
Schädigung und Verletzung, sowie durch Gift und Infektion herbei-
geführten Krankheiten. Bei diesen spielt aber ebenfalls der Grad
der eigenen Heilkraft, das heißt zuletzt der Aktion des Geistes, eine
bedeutende Rolle. Daher führt dieselbe Verletzung, dieselbe In-
fektion, dieselbe Vergiftung das eine Mal zu Krankheit und Tod,
das andere Mal nicht.
Will man aber die geistigen Krankheitsgründe erkennen, so wird
es immer vergebens sein, in bestimmten Arten und Störungen des
Liebens, Denkens, künstlerischen Gestaltens, Wollens und Handelns,
in bestimmten Tugenden, Untugenden, Charakterzügen selbst und
unmittelbar die Gründe für Gesundheit oder Krankheit zu suchen.
Darin erblicken wir eine Grundtatsache des menschlichen Geistes-
wie Liebeslebens. Sie erklärt sich aus der Natur des Organismus,
nicht den Geist selbst zu verkörpern und abzuspiegeln, sondern die
Verbindung mit der Natur herzustellen, aus der Geistesferne des
Organismus.
So einfach, für eine bestimmte körperliche Krankheit auch ein
bestimmtes geistiges Gebrechen verantwortlich zu machen, stehen
also die Dinge nicht.
Darum hat ja auch niemals die reiche klinische Erfahrung der
letzten Jahrhunderte mit ihren sorgfältigen Methoden empirischer
Beschreibung, statistischer Sichtung und individueller Durchfor-
schung eines unendlich großen Materials dazu geführt, arteigene
Krankheiten der Denker, Dichter, Maler, Bildhauer, Tondichter, Er-
finder, Feldherren, Staatsmänner, Wirtschaftsführer und anderer
Geistes- und Tatenmenschen zu entdecken. Auch nicht der Böse-
wichte und Guten. Wohl gibt es Berufskrankheiten, aber diese haben
ihren Grund in besonderen, äußeren Schädigungen, wie sie mit der
Ausübung des Berufes gegeben sind.