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fahren der Geschichte, etwa der „Induktion“ und gar von exakten

Gesetzen in jenem Sinne, kann dabei überall keine Rede sein

1

.

Ähnliches wäre für Logik, Sprachwissenschaft, Sittenlehre, Kunst-

wissenschaft und alle anderen Geisteswissenschaften unschwer zu

zeigen.

Außer diesen sind es die Wissenschaften vom Leben, die den

gleichen Sachverhalt deutlich zur Schau tragen. Wir finden in der

Physiologie als tragenden Begriff den Leistungsbegriff, und zwar im

gleichen ganzheitlich-gliedlichen Sinn wie in der Volkswirtschafts-

lehre. Was Herz und Lunge, was Milz, Leber, Hypophysis und alle

andern Organe im Ganzen des Organismus leisten, darüber sagt

uns der Chemismus der Herzmuskeln, der Atmung, der Sekretion

absolut nichts aus. Chemie und Physik liefern hier ebenso nur

Hilfsbegriffe (Mitteilungen über die Vorbedingungen) wie in der

Wirtschaftslehre, wo zum Beispiel die gastheoretischen Formeln,

die eine Dampfmaschine erklären, nicht das Geringste darüber be-

sagen, was die Dampfmaschine im wirtschaftlichen Ganzen „Fabrik“

als Glied leiste und bedeute. Die Begriffe der reinen Physiologie

sind ausschließlich sinnvolle Leistungsbegriffe.

/

Indem ich auf die geschilderte Weise immer deutlicher zu der

Einsicht gelangte, daß die gesamten Geisteswissenschaften und die

Lebenswissenschaft eine methodische Einheit bilden, daß sie eine

eigene, ihnen artgemäße Logik und Verfahrenlehre brauchen und

mit dem ursächlichen Verfahren brechen müssen, war ich an dem

Punkt angekommen, wo dieses Buch einsetzt.

Sucht man nach Zeugnissen dafür, daß die naturwissenschaft-

lichen Verfahren in den Geisteswissenschaften selber als artfremd

empfunden werden, so findet man deren, sobald man nur die Zei-

chen zu deuten versteht, eine überraschende Fülle. Namentlich die

jüngsten Bewegungen in allen angeführten Wissenschaften legen

Zeugnis davon ab, daß die naturwissenschaftlichen Verfahren nach

und nach überall als untauglich erkannt werden. Ja, wenn man in

der Geschichte der Geisteswissenschaften zurückblickt, so erkennt

man deutlich, daß der Widerstand des Geistes gegen die Mechani-

sierung von Welt und Leben niemals ganz erstickt werden konnte.

Man denke an Leibnizens teleologischen Begriff des Naturgesetzes,

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Weiteres hierüber noch später.