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V. Moderne Verfasser. Gegenwärtige Lage
Gegen Fichte und Hegel ist alle moderne Kategorienlehre ein
Rückschritt, weil sie, statt in die Tiefe der großen Gedanken des
deutschen Idealismus hinabzusteigen, wieder in die Barbarei der
aufklärerischen, empiristischen, mechanistischen Art zurückfiel, wo-
für Auguste Comte, Ernst Mach und Richard Avenarius Muster-
beispiele darbieten
1
. Für sie gibt es nur die Kategorie der mechani-
schen Ursächlichkeit, die, als mathematisch darzustellende „Funk-
tionalität“ oder „ B e z i e h u n g “ aufgefaßt wird
2
.
/
Die neukantische Schule, obenan ihre „Marburger Richtung“
(Hermann Cohen), kämpfte ja immerhin mit Erfolg gegen den
Empirismus und Positivismus an, aber sie hat dafür die Kategorien-
tafel Kantens zerstört und von ihr besonders durch Zersetzung des
Substanzbegriffes nur die Ursächlichkeit übriggelassen (worin ihr
Schopenhauer voranging). Gerade damit aber befestigte sie wieder
die Herrschaft des naturwissenschaftlich-empiristischen Geistes in
der verfahrenmäßigen Praxis aller Wissenschaften. „Ursache“, ein-
mal als Stammbegriff des Denkens gefaßt, ist ja eine unentrinnbare
Bestimmung j e d e s Vorganges, j e d e s Gegenstandes, muß daher
schließlich die Oberhand gewinnen und die nicht-atomistischen Ka-
tegorien zerstören, wie die „Umwandlung des Substanzbegriffes
zum Funktionsbegriff“ beweist.
Die Neuhegelianer wieder, die in diesem Punkte durch ihren
Meister nicht belastet waren, hatten in der Methodologie wenig
Regsamkeit gezeigt, waren überhaupt nicht geschlossen aufgetreten
3
.
Verhältnismäßig besser steht es im Punkte der Kategorienlehre
noch mit der neuscholastischen Richtung, die sich eng an die thomi-
stisch-aristotelische Lehre anschließt und einen großen philosophi-
schen Schatz abseits vom Leben getreulich hütet
4
. Unsere Berüh-
1
Richard Avenarius: Kritik der reinen Erfahrung, 2 Bde, Leipzig 1880-90.
2
Vgl. unten S. 50 f.
3
Am meisten kommt hier vielleicht das Buch von Walter Köhler: Geist und
Freiheit, Tübingen 1914, in Betracht.
4
Ich verweise auf Alfons Lehmen: Lehrbuch der Philosophie auf aristote-
lisch-scholastischer Grundlage, Bd 1: Logik, Kritik, Ontologie, herausgegeben von
Karl Frick, 5. und 6. Aufl., Freiburg i. Br. 1923. Ferner Otto Willmann: Philo-
sophische Propädeutik, 3 Bde, Bd 3: Plistorische Einführung in die Metaphysik,
Freiburg i. Br. 1914.