Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3937 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3937 / 9133 Next Page
Page Background

[63/64]

65

besteht nicht, denn nur die Teile bestehen“, oder: „es bestehen nur

die Teile, also besteht Ganzheit nicht“. Damit wäre die Ganzheit

geleugnet, die tiefere Einsicht darüber, in welchem Sinne die Teile

bestehen, nämlich als Träger der Ganzheit, wieder verloren! Die

Wahrheit ist: daß Ganzheit nur als solche, als ein eigenes Etwas

nicht zur Existenz gelange; aber gerade sie es ist, die in den Glie-

dern sich darstellt, sich vermittelt! Eben darum aber können auch

die Glieder nie allein bestehen; sind sie doch nur die Darstellung,

der Ausdruck, die Ausgliederung, die Vermittlung des Ganzen.

„Glieder“ sind i h r e m B e g r i f f n a c h nicht rein für sich, an

sich, einzeln ein Seiendes! Um den Begriff des Ganzen richtig zu

verstehen und nicht so zu fassen, als wäre er die Summe, der Haufen,

die Anzahl der für sich bestehenden Teile, muß man also beide

Sätze bedenken:

Das Ganze als solches hat kein Dasein;

Die Glieder oder Teile als solche haben kein Dasein. Oder anders

ausgedrückt:

Das Ganze als solches besteht nicht.

Die Teile als solche bestehen nicht.

Die Teile bestehen nur als G l i e d e r .

Das Ganze stellt sich nur in den Gliedern dar.

/

Diese Grundtatsache, daß Glieder als solche, für sich nicht beste-

hen — eine Grundtatsache, ohne deren vollkommenes Verständnis

der Begriff der Ganzheit und ihr Gegensatz zum „Haufen“ nie

klar erfaßt werden kann —, sei nun an einer Reihe von Beispielen

erläutert.

Schon Aristoteles führt in seiner „Politik“ das Beispiel an, daß eine abge-

schlagene Hand keine „Hand“ mehr sei

1

. Was ist sie dann noch? — nur ein

Stück Fleisch und Knochen, nur eine Summe chemischer Verbindungen! „Hand“

kann sie nur als Organ, Glied eines ganzen Organismus sein.

Ein Beispiel aus der Wirtschaft: Ein goldenes Zehnmarkstück als s o l c h e s

gibt es nicht. Ein Zehnmarkstück ist es nur, solange es in der Volks- und Welt-

wirtschaft seine Leistungen, die „Geldfunktionen“, ausübt, solange es also

G l i e d der Volkswirtschaft, im besonderen des Geldwesens, ist. Aus jedem

wirtschaftlichen Zusammenhang herausgerissen, ist es nicht mehr Geld (denn

wenn es noch „x Gramm Gold im Werte von 10 Pfund Fleisch“ wäre, wäre es

ja nicht aus dem wirtschaftlichen Zusammenhange gerissen!); sondern nur noch

eine mineralische oder chemische oder ästhetische Erscheinung. — Noch ein anderes

Beispiel dieser Art sei erlaubt, eine Maschine. Sie ist nur innerhalb ihrer wirt-

* 5

1

Aristoteles: Politik I, 1 § 11b.

5 Spann 9